Am 15. Oktober 2021 waren Simone Zehetmeir, Referentin im Bereich ELSTER beim Bayerischen Landesamt für Steuern (BayLfSt), zusammen mit Sabine Gandenberger, Software-Architektin bei mgm und Projektleiterin der ELSTER-Modellierungsplattform zu Gast bei der Denkfabrik Legal Tech*. Die beiden Expertinnen referierten über den aktuellen Stand der Digitalisierung der Finanzverwaltung im Bereich ELSTER und zeigten auf, dass auf Basis der Erfahrung aus der Verwaltungspraxis gleichfalls die (steuerliche) Gesetzgebung digitalisiert werden könnte.
Im Rahmen von ELSTER werden papierbasierte Formulare nicht lediglich in elektronische Formulare überführt. Vielmehr sind sogenannte Felderlogiken hinterlegt, die Eingaben des Steuerpflichtigen überprüfen. Im Rahmen der Körperschaftsteuer ist sogar weitgehend eine vorläufige Steuerberechnung möglich.
ELSTER als Best Case und Blaupause
Das Besondere dabei: Die Felderlogiken werden ausschließlich durch Finanzbeamt*innen in fachlichen Modellen unter Verwendung einer domänenspezifischen Sprache (DSL) definiert und umgesetzt. Eine DSL ist eine mensch- und maschinenverständliche Sprache. Dieser modellbasierte Ansatz ermöglicht es, dass Mitarbeitende in der Finanzverwaltung ohne Programmierkenntnisse fachliche Inhalte pflegen können und eine Programmierung des Fachinhalts durch einen Entwickler nicht notwendig ist. Denn aus den Modellen und der DSL wird mit Code-Generatoren vollautomatisiert direkt die Software beziehungsweise die Fachanwendung generiert. Im Rahmen von ELSTER ist der modellbasierte Ansatz bereits seit 2008 erfolgreich in Anwendung und sorgt für eine erhebliche Reduktion der Komplexität in den Entwicklungsprozessen.
Zukunftsziel: digitale Steuergesetze
Schrittweise könnte nach dem gleichen Prinzip auch der Gesetzgeber (steuerliche) Gesetze in Modellen und mit DSLs ausdrücken. Denn diese digitalen Gesetze würden maschinelle Prüfungen und Simulationen erlauben, um insbesondere hinreichend sicher feststellen zu können, ob die Ziele des Gesetzgebers durch ein Gesetz auch tatsächlich erreicht werden. In der genannten Form könnten die Gesetze sogar im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. Voraussetzung für Letzteres ist allerdings, dass die Modelle so gestaltet werden, dass sie einfach verständlich sind und „nahe“ an formulierte Gesetzestexte heranreichen. Insoweit plädieren die Referentinnen beispielsweise für eine Weiterentwicklung der im Rahmen von ELSTER verwendeten DSL.
Ein für Mensch und Maschinen gut formuliertes Gesetz muss jedoch keineswegs zwangsläufig immer aus informellen Sätzen bestehen. Vielmehr wurde konkret am Beispiel des Art. 3 Absatz 1 BayGrStG-E gezeigt, dass die Verwendung von Entscheidungstabellen eine geeignetere Methode der Formulierung von Gesetzen sein kann, die gleichfalls Mensch und Maschine verstehen.
*Über die Denkfabrik Legal Tech
Die Denkfabrik Legal Tech wurde Anfang 2018 von der Initiative Rechts- und Justizstandort Bayern gegründet. Ziel ist es, interessierte Rechts- und IT-Expert*innen aus Anwaltschaft, Notariat, Wirtschaft, Universitäten und Justiz zu vernetzen und gemeinsam zu erörtern, wie man die Chancen der Digitalisierung für die Rechtsbranche effektiv nutzen und die digitale Transformation des Rechtsstandorts der Zukunft gemeinsam gestalten kann. Derzeit vernetzt die Denkfabrik Legal Tech rund 270 Interessierte aus ganz Deutschland. Die Sitzungen organisiert das Bayerische Staatsministerium der Justiz.
Weitere Artikel & Download:
- Präsentation der Referentinnen sowie zur Aufzeichnung der 26. Sitzung der “Denkfabrik Legal Tech” finden Sie auf www.rechtsstandortbayern.de
- Die Studie: Direkt-Download oder auf negz.org/projekte-publikationen (inkl. weiterer Publikationen)
- Q&A: Digitalisierung der Gesetzgebung – Was steckt dahinter?
- Erklärvideo: Basisüberlegungen und Studienergebnisse als Präsentation (87 Minuten)