Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ist in vollem Gang. 575 Leistungsbündel sollen demnächst für die Bürger*innen digital zur Verfügung stehen. Um die Vielzahl der neuen Leistungen effektiv betreiben und weiterentwickeln zu können, braucht die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland spezialisierte Prozesse des IT-Service-Managements. Auch die Beteiligten auf Fachseite müssen neue Befähigungen entwickeln, so dass Strukturen für eine anhaltend erfolgreiche Umsetzung entstehen.

Kurz & knapp

  • Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein dauerhafter Prozess, der ihre Handlungsfähigkeit sichert.
  • IT und Fachseite müssen dafür neue, effiziente Strukturen der Zusammenarbeit etablieren, um digitale Verwaltungsleistungen dauerhaft an die sich ändernden, fachlichen Anforderungen anpassen zu können.
  • Bündelung von fachlichem und technischen Know-hows auf Landesebene schafft Voraussetzungen für den Austausch zwischen anbietenden und nachnutzenden Bundesländern.

Ein zentrales Element des OZG ist das „Einer für alle“-Prinzip (EfA). Damit nicht alle Bundesländer parallel digitale Dienste entwickeln, werden Angebote eines Bundeslandes anderen zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt. Für eine erfolgreiche Anwendung dieses Prinzips ist es notwendig, nicht nur IT-Services zu schaffen, sondern diese auch erfolgreich zu betreiben und weiterzuentwickeln. Dafür braucht es geeignete IT-Management-Prozesse und die dauerhafte Verzahnung mit Fachfunktionen – sowohl innerhalb der Bundesländer als auch zwischen anbietenden und nachnutzenden Ländern.

Denn die Digitalisierung braucht eine andere Sicht auf Verwaltungsprozesse: Jede Gesetzesänderung oder neue Verordnung hat Auswirkungen auf die IT-Abläufe – und das betrifft durch das EfA-Prinzip nicht nur ein Bundesland, sondern alle. Damit das funktioniert, bedarf es eines grundsätzlichen Verständnisses dafür, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Verwaltung hat und umgekehrt. Um ein Bild zu nutzen: Die Straßenmeisterei in einem Bundesland ist nicht mehr nur für einen bestimmten Streckenabschnitt einer Autobahn zuständig, sondern mitverantwortlich für alle Straßen in ganz Deutschland – und muss dabei alle regionalen Besonderheiten sowie zukünftigen baulichen und rechtlichen Veränderungen berücksichtigen.

Erster Schritt: Erkennen der Notwendigkeit einer effektiven Digitalisierung

Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland ist nicht einfach eine Modernisierung, die auf Grund der technologischen Möglichkeiten praktisch erscheint. Sie ist eine absolute Notwendigkeit, damit die Verwaltung handlungsfähig bleibt. Denn die Komplexität und Geschwindigkeit der Veränderungen in der Verwaltung nehmen rasant zu. Die Überlastung der Gesundheitsämter während der Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine effektive Digitalisierung ist. Denn sie bietet Einspareffekte, beschleunigte Prozesse und verbesserten Service. In der Folge gibt es weniger Nachfragen und Beschwerden, und damit weniger Zeitverluste. Zudem wird der Fachkräftemangel in der Verwaltung durch die Erleichterungen der Digitalisierung zumindest abgefedert.

Befähigung der Akteure: Fachwissen in digitalen Modellen denken

Für die Befähigung der Akteure in einem Feld mit multidimensionaler Komplexität wie dem OZG ist IT-Service-Management unverzichtbar. Klare Prozesse und ein Austausch auf Augenhöhe zwischen Verwaltungs- und IT-Fachleuten ermöglicht es, die Veränderungen in Verfahren, Vorschriften und Gesetzen, aber auch Rahmenbedingungen wie der Registermodernisierung frühzeitig zu erkennen und ihre Auswirkungen zu klären.

Dafür sind bei der Fachlichkeit zukünftig erheblich mehr Kapazitäten für die Anpassung von digitalen Verwaltungsleistungen erforderlich. Denn jeder digitale Service, der heute umgesetzt wird, muss zukünftig gepflegt und weiterentwickelt werden. Gleichzeitig erfolgen grundlegende Veränderungen in der Datenstruktur und Systemlandschaft der Verwaltung (etwa die Registermodernisierung und das daraus folgende „Once-only-Prinzip“), die wiederum Einfluss auf die Verwaltungsdienstleistungen haben. Dafür müssen die Akteure die Verwaltungsprozesse kennen und in digitalen Modellen und Anforderungen denken. Diese Übersetzungsleistung ist eine neue Kernkompetenz für die Fachseite.

Auf der IT-Seite wiederum braucht es Verantwortliche in jedem Land, die Leistungserbringung, Verträge, Anforderungen und Architekturen länderübergreifend managen und weiterentwickeln. Der Support muss befähigt sein, komplexe Fehleranalyse zu betreiben, um herauszuarbeiten, ob ein Problem beim anbietenden oder beim nachnutzenden Bundesland liegt.

Umsetzung: Know-how bündeln und dauerhaft nutzbar machen

Dieses spezialisierte Know-how muss gebündelt werden, denn es lässt sich in der Fläche der Landes- und Kommunalverwaltungen nicht aufbauen. Für die Zusammenarbeit müssen Prozesse, Umsetzungsverfahren und Strukturen definiert werden, die flexibel sind und dauerhaft funktionieren. Länderübergreifend geht das am besten in Steuerungskreisen, in dem anbietende Bundesländer mit nachnutzenden alle übergreifenden Entscheidungen klären. Auf der operativen Ebene wird die direkte Zusammenarbeit zwischen Service-Managern und IT-Betriebsstrukturen wichtig sein. So entsteht eine IT-Service-Management-Strategie mit einer organisatorischen Struktur, in der Services und Prozesse entsprechend der Anforderungen (zum Beispiel Service-Level-Agreement, Datenschutz-Grundverordnung und IT-Sicherheit) abgebildet sind. Anforderungs-, Change und Projektmanagement sorgt für eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung.

Wichtig: Die Endkund*innen im Blick behalten

Offen ist noch die Frage, wer in diesen Strukturen verantwortet, dass Nutzerbedürfnisse sowie Anforderungen von Bürger*innen und Unternehmen erfüllt und ihre Schwierigkeiten gelöst werden. Das OZG dient zunächst Bürgern und Unternehmen – die Optimierung der Prozesse sollte nicht nur innerhalb der Verwaltung erfolgen, sondern bei den Nutzern und dem für sie erbrachten digitalen Service ansetzen.

mgm-Manager Marcus Warnke ist Teilnehmer auf dem Nordländer-Kongress am 5. September 2022 in Rostock. Er wird auch das Thema OZG und IT-Service-Management beim Forum 6 „Zentralisierung von IT – Wandel als Chance für die Organisationen“ behandeln.

Weitere Informationen:

Kongress, Tagungsprogramm und Anmeldung: https://www.nordlaender-digital.de/

Blog-Artikel: EfA-Dienste im OZG: Plötzlich sind wir Service Manager!

Blog-Artikel: mgm auf dem Nordländer-Kongress

 

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