Beim Onlinezugangsgesetz (OZG) steht die Nutzerzentrierung im Vordergrund – grundsätzlich ein richtiger Ansatz. Doch nur wenn die Digitalisierung der Verwaltung in allen Bereichen erfolgt, kann sie verlässlich analysiert und verbessert werden. Das fängt vor den Online-Anträgen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen an.

Kurz & knapp

  • Das OZG setzt den Zeitrahmen für die Digitalisierung der Verwaltung, berücksichtigt aber End-to-End-Anwendungen zu wenig
  • Die Konzentration auf die Nutzerzentrierung greift zu kurz, da die Digitalisierung in allen Prozessschritten erfolgen sollte
  • Nur die Verfügbarkeit von Daten und Logfiles erlaubt Process Mining und so eine effektive Analyse
  • Alles auf einmal wird nicht funktionieren, die Konzentration auf Leuchtturm-Projekte, die zeigen, was möglich ist und als Vorlagen für weitere Schritte dienen, ist ratsam

Die Nutzerzentrierung hat beim Onlinezugangsgesetz einen hohen Stellenwert. Bereits die Auswahl der 14 Themenfelder, die 35 Lebenslagen und 17 Geschäftslagen bündeln, orientierte sich an den Bedürfnissen der Kund*innen. Auch der im OZG geforderte Reifegrad 3, den die digitalen Verwaltungsanwendungen bis zum Jahresende bieten sollen, hat die Nutzer*innen im Fokus: Die Online-Verwaltungsservice lässt sich einschließlich der Authentifizierung und aller Nachweise vollständig digital abwickeln, die Zustellung des Bescheids erfolgt digital.

Medienbrüche bei der internen Bearbeitung

Doch hinter dem Frontend kann es zum Medienbruch kommen, denn innerhalb der Verwaltung existieren häufig Lücken zwischen den Systemen. Im schlimmsten Fall bringt die teilweise Digitalisierung keine Verbesserung der Abläufe, sondern erzeugt Mehrarbeit.

Das Fehlen einer End-to-End-Digitalisierung der deutschen Verwaltung schränkt die Effektivität des OZG ein. Denn neben dem drohenden Mehraufwand durch die Medienbrüche verzögert sich auch die Digitalisierung der internen Prozesse der Verwaltung.

Process Mining als Teil einer neuen Verwaltungskultur

Eine reine Digitalisierung der Ist-Prozesse in der Verwaltung ist nicht zielführend. Darüber hinaus müssen in der Verwaltung auch die Rahmenbedingungen so verändert werden, dass ein Anreiz geschaffen wird, Digitalisierung effektiv zu gestalten. Das kann eine agile Verwaltungskultur leisten, die auch Process Mining nutzt – so wie beispielsweise in der Versicherungswirtschaft. Dort werden mithilfe großer Mengen an Daten und Logfiles Prozesse per Knopfdruck analysiert, um herauszufinden, wo ein Prozess hängt.

Process Mining kann aber nur funktionieren, wenn es Logfiles gibt, wenn also keine Medienbrüche in den Anwendungen vorhanden sind. Wie reibungslos Process Minining auch in der Verwaltung ablaufen kann, zeigt eine NEGZ-Studie, die bald erscheinen wird. Mittels Kennzahlen von Ist- und Soll-Prozessen ließen sich präzise Analysen durchführen, Prozesse visualisieren und detailliertere Informationen bereitstellen. Das ermöglicht schlussendlich, Abläufe zu optimieren, Kosten zu reduzieren und das Nutzererlebnis für Bürger*innen zu steigern. Diese Möglichkeiten würden sich durch ausgewertete End-to-End-Prozesse von Anwendungen auch in der OZG-Umsetzung ergeben.

Erster Schritt: Konzentration auf Leuchtturmprojekte

Angesichts des Zeitdrucks bei der Umsetzung des OZG wäre es sinnvoller, nicht den gesamten Leistungskatalog auf einmal in Angriff zu nehmen. Stattdessen sollte sich die Digitalisierung zunächst auf viel genutzte Leuchtturmprojekte konzentrieren und sich, nach deren erfolgreicher Umsetzung und effektiven Betrieb, auf weitere Anwendungen ausweiten.

Die Festlegung der 14 Themenfelder im OZG gibt bereits eine gewisse Priorisierung vor. Doch die entwickelten Anwendungen dürfen eben nicht nur den Kund*innen den digitalen Zugang ermöglichen, sondern müssen auch die internen Anwendungen der Verwaltung betreffen. Sonst bleibt das OZG in vielen Bereichen nur ein schönes Bühnenbild.

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