Es gibt rund sechs Millionen Steuerpflichtige im Renten- und Pensionsalter. Auch sie müssen eine Einkommensteuererklärung abgeben, wenn das jährliche Einkommen den Grundfreibetrag übersteigt. Mit dem neuen einfachELSTER-Service der Steuerverwaltung im Vorhaben KONSENS gibt es nun einen speziellen Online-Service: Mit dem Dienst können viele Pensionärinnen und Pensionäre sowie Rentnerinnen und Rentner ihre elektronische Steuererklärung in nur wenigen Schritten erledigen.

Kurz & knapp

  • Vorteile von einfachELSTER: Anmeldung ohne Zertifikat, einfache Dialogoberfläche und auf die Zielgruppe zugeschnittene Datenabfrage
  • Vorhandene Modelle, Datenbanken und Plattformen dienten als Grundlage, einfachELSTER als kontinuierliche Weiterentwicklung der Bürgerfreundlichkeit von ELSTER-Anwendungen umzusetzen
  • Herausforderung war die Identifizierung der notwendigen Abfragebausteine, um für einen großen Teil der Personen der Zielgruppe die relevanten Daten abzufragen

einfachELSTER setzt auf Schlichtheit. Für den Service müssen die Nutzerinnen und Nutzer lediglich ihre Steuer-ID und ihr Geburtsdatum in einem Anmeldefenster eingeben und erhalten dann per Post eine Zugangsnummer. Bereits bei der Bestellung der Zugangsnummer erfolgt die Abfrage, ob die Voraussetzungen erfüllt sind: Sie erhalten inländische Renten oder Pensionen und haben keine weiteren Einnahmen – Minijob und Kapitalerträge ausgenommen, von denen bereits Abgeltungsteuer an das Finanzamt abgeführt oder für die der Sparerpauschbetrag in Anspruch genommen wurde. Nur wer zusätzlich beispielsweise Mieteinnahmen oder höhere Kapitalerträge hat, muss zum Beispiel den altbekannten Weg über Mein ELSTER gehen, wo das komplette Formular der Einkommensteuererklärung angeboten wird.

30.000 einfachELSTER-Anmeldungen in sechs Wochen

Mit der Zugangsnummer angemeldet, zeigt sich den Nutzerinnen und Nutzern der nächste große Vorteil: Die Informationen über Renteneinkünfte oder Pensionen sowie Daten zur Kranken- und Pflegeversicherung liegen dem Finanzamt bereits vor und müssen nicht mehr eingetragen werden. In den folgenden, moderierten Schritten tragen die Steuerpflichtigen unter anderem Daten zu steuermindernden Ausgaben wie Kirchensteuern, haushaltsnahe Dienstleistungen und außergewöhnliche Belastungen ein. Nach Überprüfen der Angaben in einer Übersicht lässt sich die Steuererklärung absenden und gleich die Zugangsnummer für das kommende Jahr bestellen.

Der Rücklauf ist schon jetzt sehr positiv. Rund 30.000 Zugangsnummern wurden bereits bestellt, über 10.000 Steuererklärungen über einfachELSTER abgegeben.

Bürgernäher durch Reduzierung der Zugangshürde

ELSTER ist eine Erfolgsgeschichte. Vor über 25 Jahren gestartet, nutzen mittlerweile etwa 30 Millionen Steuerpflichtige die elektronische Steuererklärung. Rund 30 Prozent davon nutzen dafür Mein ELSTER. Das Angebot wird ständig verbessert . Dazu gehört auch einfachELSTER.

Roland Krebs ist Referatsleiter beim federführenden Bayerischen Landesamt für Steuern und leitet bundesweit das KONSENS-Verfahren ELSTER: „Wir müssen immer bürgerfreundlicher werden und im Internet möglichst auf der Höhe der Zeit arbeiten. Das funktioniert aber nur, wenn man auch zielgruppenorientiert arbeitet. Eine Herausforderung für viele ältere Bürgerinnen und Bürger bei der Nutzung von ELSTER: der Zugang mittels Zertifikatsdatei und Passwort. Daher gab es für einfachELSTER klare Ziele. Roland Krebs: „Das waren die zwei Gründe: Die Zugangshürde deutlich runterregeln und die Ansprache so bürgernah zu formulieren, dass man die Steuererklärung in zehn Minuten erledigen kann.“

Technische Entwicklung baute auf Vorhandenem auf

mgm unterstützt KONSENS und das Bayerische Landesamt für Steuern seit der ersten Portalversion im Jahr 2005 bei der Entwicklung und Bereitstellung des Portals elster.de. Sergio Lerena Robles, Mitglied der Geschäftsleitung und langjähriger Entwickler von ELSTER-Anwendungen, konnte daher für einfachELSTER auf vorhandene Architekturen und Plattformen zurückgreifen. Er sagt: „Die Wahl der passenden Technik und der Architektur für einfachELSTER, basierend auf der Enterprise Low Code Plattform A12, war von Anfang an ziemlich klar, auch welche Schnittstellen zu bedienen sind. Die über die einfachELSTER-Anwendung erfasste Steuererklärung wird als ELSTER-Datensatz an die ELSTER-Eingangsserver übermittelt und unterscheidet sich nicht von den anderen Datensätzen von Steuererklärungen.“

Eine größere Herausforderung sei die Wahl der passenden Oberfläche gewesen. Begonnen hatte das Projektteam mit einem Chat, das Ausfüllen des Formulars war geplant als eine Unterhaltung aus Fragen und Antworten. „Der Prototyp hat aber frühzeitig gezeigt, dass so ein Format für die Zielgruppe nicht geeignet ist“, so Lerena Robles. Hintergrund: Eine repräsentative Gruppe von Testpersonen aus der Zielgruppe hatte den Prototyp – und ebenso später die aktuellen Versionen – in beispielhaften Durchläufen einem Usability-Test unterzogen.

Die älteren Nutzerinnen und Nutzer seien zwar durchaus mit Chats vertraut, aber „sie waren überrascht, dass man in einem Chat eine Steuererklärung machen kann. Es gab teilweise eine richtige Blockade“, so Sergio Lerena Robles. Also wurde eine zielgruppengerechtere Lösung gesucht. Das Ergebnis: ein Wizard, also eine Abfolge von Seiten, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Fragen und Eingabefelder, die nicht notwendig sind, überspringt die Anwendung automatisch.

Ein Beispiel für gelebte digitale Souveränität

Die Architektur der Anwendung war von Anfang an weitgehend klar, die Herausforderung bestand vielmehr darin, die fachlichen Bausteine festzulegen. Dazu trug die Fachseite bei: Die Expertinnen und Experten von der Steuerverwaltung versuchten, mit so wenig Feldern wie nötig so viele Nutzerinnen und Nutzer wie möglich zu erreichen. Das Resultat sind rund 40 Felder, mit denen sich ein großer Teil der Rentnerinnen und Rentner sowie der Pensionärinnen und Pensionäre adressieren lässt.

Eine weitere Vorgabe legte fest, dass die Nutzerinnen und Nutzer in maximal zehn Minuten mit der Erklärung fertig sein sollten. Sergio Lerena Robles: „Solche Vorgaben sind gut, denn so konnten wir das auch gut im User Experience-Test messen.“ Für ihn ist einfachELSTER ein lebendiges Beispiel für digitale Souveränität mit Multichannel, also mit zwei unterschiedlichen Oberflächen für die gleiche Abfrage, für deren Aktualität die Fachseite der Steuerbehörden sorgt. Fachliche Informationen werden von Experten modelliert und in einem zentralen, digitalen Archiv (Repository) persistiert. Diese Informationen werden zentral gepflegt und stehen dann sowohl für Mein ELSTER als auch für einfachELSTER zur Verfügung. Demzufolge profitieren beide Anwendungen von fachlichen Änderungen zugleich, u. a. wird sichergestellt, dass Regelbedingungen und Feldformate nicht voneinander divergieren. Lerena Robles: „Digitale Souveränität ist weiterhin gegeben, die Steuerverwaltung hat das Ganze in der eigenen Hand.“

Anwendungen für weitere Zielgruppen möglich, aber nicht Priorität

Wer einfachELSTER nutzen kann, orientiert sich dabei nicht am Alter. Den Rahmen geben Steuermerkmale vor. „Tatsächlich könnten auch Studentinnen und Studenten und viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Steuererklärung über einfachELSTER erledigen, weil Einkünfte bereits elektronisch an die Steuerbehörden übertragen wurden“, so Roland Krebs. Allerdings erfordert das wiederum die Festlegung zusätzlicher Felder, etwa Werbungskosten wie Fahrten zum Arbeitsplatz. Für jede weitere spezielle Zielgruppe müssen die Fachleute typische Datenfelder analysieren. Lässt sich ein großer Teil der Steuerpflichtigen in einer Gruppe erreichen, ist ein Service ähnlich einfachELSTER durchaus überlegenswert.

Grundsätzlich stehe aber nicht die Identifizierung weiterer Zielgruppen und individuelle Spezialdialoge im Fokus, sondern ein übergreifendes Ziel, so Roland Krebs: „Die Überlegung ist eher, dass man die einfache Eingabemöglichkeit mit der Formulareingabe von Mein ELSTER kombiniert, so dass man beides machen kann. Bestimmte Angaben wie Renteneinkünfte macht ein Rentner im Interview- oder Wizard-Modus, aber wenn er doch noch weitere Einkünfte hat, wechselt er in den Formularmodus und macht zum Beispiel Angaben zu Vermietungseinkünften in der Anlage V im klassischen Formularmodus.“

So funktioniert einfachELSTER auf zwei Ebenen: als praktischer neuer Service für eine Zielgruppe und Grundlage für die weitere Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit von ELSTER insgesamt.

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