Inhalt

Die komplexen Abrechnungsprozesse zwischen Marktpartnern in der Industrieversicherung binden Ressourcen auf allen Seiten – ohne den Kunden Mehrwert zu bieten. Vor allem repetitive Prozesse mit immer gleichen Datenflüssen bieten hohes Automatisierungspotenzial. Dieser Artikel zeigt am Beispiel der ausgehenden Sammelabrechnungen auf, wie die Digitalisierung konkret aussehen kann.

Die Abrechnungsprozesse zwischen Industrieversicherern und -maklern gehören zu den quantitativ und qualitativ herausfordernden Prozessen in der Industrieversicherung: Prämien, Courtagen und Schadenzahlungen werden in der Regel nicht einzeln untereinander abgerechnet, sondern in monatlich oder quartalsweise durchgeführten Sammelabrechnungen. Versicherer und Makler verwenden in diesem Zusammenhang die Begriffe Bordero (engl. bordereau), Vermittler- bzw. Versichererinkassoabrechnung oder Courtage- bzw. Provisionsabrechnung. Auch die Steuerabrechnung fällt häufig in diesen Themenkomplex, da auch hier Zahlungsströme zwischen Endkunde, Makler und Risikoträger verrechnet werden müssen.

Wie laufen heute aus Business-Sicht die Inkasso- und Abrechnungsprozesse in der Industrieversicherung?

Industriemakler und Industrieversicherer verwalten ihre Kundendaten, Angebote, Policen und Schäden in getrennten Systemen. Dies gilt auch für gegebenenfalls beteiligte Assekuradeure oder Rückversicherer. Der versicherte Kunde zahlt die Versicherungsprämie entweder an den Makler oder an den Versicherer, dieser muss dann die Anteile für die anderen beteiligten Parteien weiterverrechnen. Im einfachsten Fall erhält der Makler vom Endkunden die Bruttoprämie und reicht diese nach Abzug der Maklercourtage und ggf. der Steuer an den Versicherer weiter. Je nach Komplexität eines Industrieversicherungsvertrags (viele Deckungen, mehrere beteiligte Versicherer, internationales Geschäft mit verschiedenen Währungen und Steuern) können hier unter Umständen sehr komplexe Zahlungsströme entstehen.

Was sind die aktuellen Herausforderungen für diese Abrechnungsprozesse?

Wenn die Zahlungen im Rahmen einer Sammelabrechnung zusammengefasst werden (z. B. alle Prämienzahlungen eines Monats zwischen einem Makler und einem Versicherer), wird über das Bankkonto eine Summe überwiesen und als Anlage ein Abrechnungsdokument (Bordero) ausgetauscht. Die Herausforderung für beide Seiten – Makler und Versicherer – ist es nun, diese Abrechnungsdokumente untereinander abzugleichen: Stimmen die Summen bzw. Gegenrechnungen? Welche Abrechnungspositionen können als vollständig „ausgeglichen“ gekennzeichnet werden? Wo sind nur Teilzahlungen erfolgt?

Da Makler und Versicherer ihre Angebote bzw. Policen mit unterschiedlichen Nummern versehen, ist eine eindeutige Zuordnung der Einzelzahlungen nicht immer möglich. Unterschiedliche Formate der Abrechnungsdokumente (Tabelleninhalte, Reihenfolge, Netto/Brutto-Differenzierung etc.) erschweren dies zusätzlich.

Jeder Marktpartner kann hierbei sowohl die Rolle des Absender einer Sammelabrechnung einnehmen (ausgehendes Bordero), als auch der Empfänger einer Sammelabrechnung sein (eingehendes Bordero).

Wie sähe eine ideale Welt für die Digitalisierung der Vermittler- bzw. Versichererabrechnung aus?

In einer idealen Welt würden Makler und Versicherer

  • über den kompletten Lebenszyklus einer Versicherungspolice (vom ersten Angebot über die Police, verschiedene Policennachträge und Schadenregulierungen)
  • in Echtzeit
  • eindeutige Nummern und Kennzeichnungen
  • über die Systemgrenzen von Maklern und Versicherern hinweg austauschen,
  • damit alle Verwaltungs- und auch Zahlungsprozesse immer eindeutig zuordenbar sind.

Unter „Vertragsnr. 4711″ wäre dann derselbe Vertrag im Versichersystem, Maklersystem und auch in den regelmäßigen Sammelabrechnungsdokumenten zu finden. Wenn diese Daten dann digital über Schnittstellen zwischen Maklern und Versicherern ausgetauscht würden, könnten 99 Prozent aller Abrechnungsprozesse vollautomatisch durchgeführt werden. Die manuelle Suche und Zuordnung von einzelnen Abrechnungspositionen würde komplett entfallen, die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen könnten sich auf die Korrektur weniger Fehlbuchungen bzw. Klärung offener Posten konzentrieren.

Wie kann der komplexe Prozess der Sammelabrechnung zwischen Industrieversicherern, Assekuradeuren und Industriemaklern automatisiert werden?

Betriebliche Teilprozesse zu automatisieren bedeutet auch, sie bis zu einem gewissen Grad zu standardisieren. Dafür ist kein “großes Digitalisierungsprojekt” nötig. Alle benötigten Systeme (und Daten) existieren bereits. Sie kommunizieren allerdings nicht miteinander.

Als Teil der Digitalisierungsstrategie ist es wichtig zu erkennen, an welchen Stellen repetitive Prozesse und Datenflüsse aufeinandertreffen.

  • Welche Informationen bleiben stets gleich im Austausch der Partner?
  • Welche Informationen verändern sich flexibel?
  • Welche Daten werden ausgetauscht?
  • Wann? Und mit wem?
  • Welche IT-Systeme sind involviert?

Anhand dieser Informationen werden Buchungs- und Pozessinformationen der Sammelabrechnungen strukturiert und verarbeitbar gemacht.

Wie lässt sich konkret die ausgehende Vermittlerabrechnung automatisieren?

Am Beispiel der Software mgm Cosmo Bordero App lässt sich die Automatisierung konkret darstellen: Cosmo Bordero wird mit einem oder mehreren Bestandsführungs- oder MVP-Programmen verbunden, um die Vertrags- bzw. Schadendaten zu beziehen.

Die automatische Zusammenführung der Daten aus verschiedenen Quellen (z. B. Applikationen für einzelne Sparten oder einzelne Gesellschaften) ist ein erster wichtiger Schritt des Automatisierungsprozesses.

Quelle: mgm Cosmo Bordero App

Für Abrechnungsprozesse wird der nachfolgende Verarbeitungsprozess nach dem Prinzip strukturiert: „Wer bekommt was von wem unter welchen zeitlichen und fachlichen Bedingungen?“.

Im Ergebnis entstehen zwei Grundbestandteile für die ausgehende Sammelabrechnung.

  • Ein festes Informationsgerüst, das für jeden Vermittlungspartner individuell ist, aber in seiner Struktur stets gleich bleibt: Konto, Turnus, Buchungstyp und Aufbau bzw. Darstellung des Bordero-Dokumentes.
  • Ein dynamischer, flexibler Teil, der insbesondere die individuellen Bedingungen zwischen den Partnern bedient. Hier werden für jede neue Sammelabrechnung individuelle Daten aus den verschiedenen Quell-Systemen herausgefiltert und verarbeitet.

Letztendlich werden fixe und dynamische Inhalte zum einzelnen Sammelabrechnungsdokument vereint und die entsprechenden Buchungen und Dokumente kreiert.

Quelle: mgm technology partners

Die Erstellung und Buchung der Bordero-Dokumente läuft nun über die Software automatisch jeden Monat oder zum individuell festgelegten Stichtag. Durch die gesetzten Parameter erkennt die Cosmo Bordero App, welche Positionen, für welche Partner zum Stichtag fällig sind. Die Inhalte werden automatisch aus den Systemen gefiltert, in einem Dokument zusammengefasst und die entsprechenden Buchungssätze aktualisiert, damit diese an die weiterverarbeitende Systeme übertragen werden können (z. B. in eine Buchhaltungsapplikation).

Muss für die Automatisierung von ausgehenden Sammelabrechnungen ein komplexes Software-Projekt beim Versicherer, Assekuradeur oder Makler aufgesetzt werden?

Dies hängt von der eingesetzten Bordero-Software ab. Für das Beispiel der Softwarelösung mgm Cosmo Bordero App lässt sich die Lösung mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand in eine bestehende Softwarelandschaft integrieren. Zu Beginn kann die Bordero App “standalone” (also ohne Schnittstellenanbindung an Bestandsführung oder MVP) betrieben werden, der Datenbezug erfolgt dann per Dateiaustausch im CSV-Format. Eine tiefere, API-basierte Integration kann dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

In der Regel läuft eine Umsetzung in folgenden fünf Schritten ab:

  • Stufe 1: Definition und Auswahl eines typischen Sammelabrechnungsszenarios beim Assekuradeur oder Versicherer, idealerweise in Abstimmung mit den entsprechenden Marktpartnern
  • Stufe 2: Strukturierung der Daten anhand des gewählten Szenarios: fixe und dynamische Inhalte
  • Stufe 3: Aufbau und Test des Bordero-Prototyps in der Bordero-App
  • Stufe 4: Übertragung auf weitere Sammelabrechnungsszenarien
  • Stufe 5: Finale Tests und Abnahme

Voraussetzung am Beispiel eines Versicherers oder Maklers: Ein oder eine fachlich kompetente Expertin oder Experte wird benannt, der oder die über den Projektverlauf von circa 8-12 Wochen als Inputgeber für das geschätzt 2- bis 3-köpfige Projektteam zur Verfügung steht. Bereits nach 8-12 Wochen können Ergebnisse nutzbar vorliegen.

Wie sieht eine beispielhafte Rentabilitätsbetrachtung für die Automatisierung ausgehender Sammelabrechnungen aus?

Für eine ROI Betrachtung werden folgende Annahmen getroffen:

  • Es fallen im Monat 20 ausgehende Abrechnungen an, z. B. für verschiedene Versicherer, Makler oder andere Kooperationspartner.
  • Pro Abrechnung entsteht für die Erstellung und Prüfung ein Aufwand von 2 Stunden.
  • Pro Monat entsteht also ein Aufwand von 40 Stunden (= 5 Tagen), pro Jahr ein Aufwand von 60 Tagen (entspricht ca. 0,25 FTE).
  • Der interne Kostensatz beträgt 70 EUR (Vollkostenbetrachtung).

Der Einsatz einer Bordero-Applikation kann den Aufwand auf pro ausgehende Abrechnung auf 1/2 Stunde reduzieren (primär Überprüfungsaufwand, gerade zu Beginn der Softwareeinführung). Dies entspricht  bei den oben getroffenen Annahmen einem jährlichen Einsparpotential von 45 Tagen bzw. 25.200 EUR.

Bei einer Rentabiliätsbetrachtung sollte auch beachtet werden, dass die Softwarelösung besser skaliert als manuelle Arbeit: Wenn das Versicherungsunternehmen oder der Makler in Zukunft wächst (Größe des Bestandes, Anzahl und Umfang der Abrechnungen), z. B. auch durch Zukauf von Gesellschaften, kann dies eine Softwarelösung wesentlich effizienter auffangen, anstatt Personal aufzubauen: Einmal eingerichtet ist es der Software egal, ob sie 20 oder 100 Abrechnungen durchführt.

Wie kann die BiPRO bei den Abrechnungsprozessen unterstützen?

Um eine Bordero-Software per Schnittstelle (API) an ein Bestandsführungssystem oder MVP anzubinden, kann u.a. auch der BiPRO-Standard genutzt werden. Details hierzu siehe unser Artikel „Für welche Industrieversicherer und Industriemakler ist die BiPRO-Vermittlerabrechnung interessant?”.