Rollen und Verantwortlichkeiten bei der digitalen Transformation in der Industrieversicherung

Die digitale Transformation von Industrieversicherer- und Maklerhäusern ist ein Prozess, der von der Entscheidungsfindung bis zur erfolgreichen Umsetzung mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Eine entscheidende Komponente für diesen Prozess ist die effektive Besetzung von Projektrollen und die Bereitstellung professioneller Beratung mit vielfältigen Fähigkeiten. Eine klare Definition der Rollen ist dabei von zentraler Bedeutung. In diesem Artikel werden die essenziellen Rollen innerhalb des Kernteams beleuchtet, die für den Erfolg der Transformation unerlässlich sind.

Kurz & knapp:

  • Klare Verantwortlichkeiten entstehen nur, wenn die Rollen präzise definiert sind
  • Divers zusammengesetzte Teamstrukturen können in komplexen Veränderungsprozessen entscheidend für den Erfolg sei
  • Das Kernteam benötigt die Unterstützung des gesamten Unternehmens

In den meisten Versicherungs- und Maklerhäusern wird eine beträchtliche Zeitspanne von der Entscheidung zur Transformation bis zur erfolgreichen Umsetzung benötigt. Dieser Prozess erfordert eine kontinuierliche Besetzung der Rollen mit qualifiziertem und verfügbarem Personal sowie die Einbindung professioneller Beratungsdienste mit vielfältigen Fähigkeiten. Die Mitglieder des Kernteams werden in der Regel von ihren üblichen Aufgaben freigestellt und widmen sich Vollzeit dem Projekt.

Die Benennung der Rollen variiert innerhalb der Projekte und Unternehmen erheblich. Jedoch können klare Verantwortlichkeiten nur etabliert werden, wenn die Rollen präzise definiert sind. Es besteht theoretisch die Möglichkeit, dass eine Person mehrere Rollen innehat.

Im Allgemeinen lassen sich die Rollen innerhalb und außerhalb des Kernteams unterscheiden. Das Kernteam ist direkt für die operative und fachliche Umsetzung des Projekts verantwortlich.

 

Rollen im Kernteam

Die Zuweisung der Rollen innerhalb des Projektteams stellt eine primäre Aufgabe in der Projektorganisation dar, die vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn erfolgt. Diese Verantwortung liegt in der Regel bei Personen mit Entscheidungsbefugnis für das Projekt, häufig aus Mitgliedern der Geschäftsführung.

 

Die Projektleitung

Die Projektleitung ist für den operativen Erfolg des Projekts verantwortlich. Dabei wird das strategische Projektziel im Blick behalten und das Projekt entsprechend gesteuert. Insbesondere werden von der Projektleitung soziale, koordinative und kommunikative Fähigkeiten erwartet. Unabhängig davon, ob die Projektmitglieder disziplinarisch geführt werden, müssen sie über die gesamte Projektlaufzeit motiviert, gecoacht und ggf. inhaltlich angeleitet werden. Die Projektleitung fungiert als Schnittstelle zu den Entscheidungsträgern, den Stakeholdern und der externen Beratung.

Die Vereinigung der fachlichen Anforderungen von Business und IT im Projekt sowie die Bildung eines Teams, das ein gemeinsames Ziel verfolgt, sind wesentliche Aufgaben der Projektleitung. Oftmals kennen sich die Mitglieder beider Seiten nicht, haben selten miteinander gearbeitet und verfolgen unterschiedliche Interessen. Die Herausforderung besteht darin, das Team zusammenzuhalten, insbesondere wenn es den ersten größeren Herausforderungen der Transformation gegenübersteht.

Die Projektleitung benötigt kein allzu detailliertes Fachwissen im Prozessmanagement oder spezifische Kenntnisse der IT-Systeme. Vielmehr basiert ihre Tätigkeit auf einem soliden Grundlagenwissen in beiden Bereichen, einem Überblick über das Projekt und der Fähigkeit, frühzeitig Probleme zu erkennen und gegenzusteuern. Sie schafft die notwendigen Rahmenbedingungen, damit das Projektteam effektiv arbeiten kann.

Führungskräfte im Projekt, wie die Projektleitung, sollten neben fachlichen Kompetenzen vor allem über soziale Kompetenzen verfügen. Der fachliche Input kommt von den Projektmitgliedern, sodass sich die leitenden Personen auf die Koordinierung des Projekts, die effektive Kommunikation und den Zusammenhalt des Teams konzentrieren können.

Besonders wichtig ist, dass Führungskräfte in komplexen Transformationsprojekten über Organisationsvermögen, ausgeprägte Kommunikations- und Teamfähigkeiten, Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsstärke, Kreativität und Flexibilität, Problemlösungsfähigkeit, Stress- und Ambiguitätstoleranz sowie den Umgang mit Dynamik und Komplexität verfügen.

 

Das Projektmanagement

In umfangreichen Transformationsprojekten wird oft zusätzlich zur Projektleitung ein Projektmanagement eingesetzt. Es agiert als unterstützende Instanz der Projektleitung und übernimmt sämtliche organisatorische Verwaltungsaufgaben. Die Verantwortung liegt darin sicherzustellen, dass das Projekt termingerecht, innerhalb des Budgets und mit angemessener Qualität voranschreitet und potenzielle Hindernisse beseitigt werden. Während die Projektleitung den Gesamtfortschritt überwacht, obliegt dem Projektmanagement die Organisation des Projekts sowie die Überwachung der definierten Meilensteine.

Zur Förderung des Veränderungsprozesses sind neben dem Projektmanagement auch Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenzen seitens des Projektmanagers erforderlich. Dies ermöglicht die Entwicklung eines einheitlichen Verständnisses für notwendige Interventionen und die Vereinigung der Interessen und Ansprüche verschiedener Stakeholder.

In großen Projekten wird das Projektmanagement üblicherweise durch ein Projektmanagement-Office (PMO) unterstützt, das sich um regelmäßige organisatorische Aufgaben wie Projektreportings, Einladungen zu Meetings, Ablage und Dokumentation kümmert.

 

Das Projektteam

Im Rahmen des Projektteams werden vielfältige spezialisierte Personen eingesetzt, darunter Mitarbeitende aus unterschiedlichen Fachbereichen sowie der IT, häufig ergänzt durch Vertreter anderer Organisationseinheiten wie Vertrieb und Kommunikation sowie externe Fachkräfte wie IT-Berater und Implementierer. Ihre Expertise auf ihren jeweiligen Gebieten gewährleistet den Erfolg des Projekts aus fachlicher und technischer Perspektive.

Eine vielfältige Auswahl an Fachexperten und Expertinnen sowie eine divers zusammengesetzte Teamstruktur aus verschiedenen Unternehmensbereichen und sozio-kulturellen Hintergründen ist ratsam. Diese Diversität ermöglicht es, verschiedene Perspektiven und Stimmungen zu integrieren und ist besonders in komplexen Veränderungsprozessen entscheidend für den Erfolg, indem sie zu besseren Entscheidungen beiträgt und traditionelle Handlungsmuster hinterfragt.

Die Kommunikation zwischen dem Projektteam und verschiedenen Teilen des Unternehmens ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Transformation. Das Projektteam allein kann die Transformation nicht bewältigen; die Unterstützung des gesamten Unternehmens ist erforderlich. Der Schlüssel zum Projekterfolg liegt daher in der erfolgreichen Ausrichtung des Projektteams und des Gesamtunternehmens auf ein gemeinsames Ziel.

 

Die Process Owner

Im Team eines Transformationsprojekts spielen die Geschäftsprozess-Manager, auch als “Process Owner” bekannt, eine zentrale Rolle. Sie tragen die Verantwortung für Teil- oder Gesamtprozesse eines Versicherungs- oder Maklerunternehmens.

Die Process Owner verfügen über detaillierte Kenntnisse ihrer Geschäftsprozesse sowie deren Verflechtungen und Abhängigkeiten. Sie sind spezialisiert darauf zu entscheiden, inwieweit Prozesse standardisiert werden können und welche individuellen Anpassungen notwendig sind. Im Rahmen der Transformation müssen sie sämtlichen Änderungen an ihren Prozessen zustimmen, wobei sie vorher von der Geschäftsführung dazu ermächtigt sein sollten.

Das Geschäftsprozessmanagement wird in der Regel von Führungskräften der oberen Hierarchieebenen wahrgenommen. Ihr Fokus liegt auf dem End-to-End-Prozess, wobei sie einen reibungslosen und effizienten Ablauf anstreben, jedoch keine Spezialisten für Details sind.

 

Die Key User/Prozessexperten

Bei der Betrachtung der Einzelheiten eines Geschäftsprozesses werden zusätzlich zu den Fachexperten auch die Key User als wichtige Träger von Fachwissen einbezogen. Sie sind vertraut mit den Nuancen des Prozesses sowie den Strukturen und Funktionen/Anwendungen des eingesetzten IT-Systems. In ihrer Rolle fungieren sie als Ansprechpartner für ihr Team bezüglich spezifischer Fragen zum Prozess oder der jeweiligen IT-Anwendung und beteiligen sich auch an der Schulung des Teams.

Die Key User bilden eine entscheidende operative Basis für eine erfolgreiche Transformation. Zusammen mit dem Geschäftsprozessmanagement gestalten sie die neuen Prozesse.

 

Das Change Management

Eine digitale Transformation bringt für Versicherer und Makler vier wesentliche Veränderungen mit sich, deren Auswirkungen durch das Change Management gesteuert und positiv begleitet werden müssen: (1) Veränderungen in der IT-Systemlandschaft und -funktionen, (2) Anpassung der Strategie, (3) Veränderung operativer Geschäftsprozesse und (4) Anpassung der Unternehmensorganisation. Um die volle Wirksamkeit einer Transformation sicherzustellen, muss eine Passung zwischen Organisation und neuen Prozessen mit den damit verbundenen neuen Rollen und Verantwortlichkeiten hergestellt werden.

Eine der Hauptgefahren im Veränderungsprozess besteht darin, die Auswirkungen auf die Organisation und die Mitarbeiter zu vernachlässigen. Die Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen der Transformation auf Einzelpersonen ist von entscheidender Bedeutung, damit das Change Management seinen Kernbereich erfüllen kann. Dies erfordert ein grundlegendes Verständnis für die technische und fachliche Transformation, einen umfassenden Überblick über komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen sowie über die spezifischen Informationsbedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen.

Das Change Management konzentriert sich mehr auf auf das Individuum und das soziale Gefüge und weniger auf das Erreichen fachlicher Projektergebnisse innerhalb des vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmens sowie der geforderten Qualität.

Die Aktivitäten des Change Managements zielen darauf ab, die Effektivität des gesamten Projektteams sicherzustellen, das Engagement unterstützender Fachbereiche während der Umsetzung zu fördern und nach der Implementierung das reibungslose Funktionieren der gesamten Organisation mit ihren neuen Prozessen, Rollen und Verantwortlichkeiten zu gewährleisten. Damit befindet sich diese Rolle in einem positiven Spannungsverhältnis zum Projektmanagement (fachliche Zielerreichung vs. Akzeptanz).

Die Aufgaben eines Change Managers sind äußerst umfassend und hängen von der Transformationsstrategie sowie der vorhandenen Unternehmensorganisation ab. Zu den zentralen Aufgaben gehören beispielsweise das Koordinieren von Change- und Kommunikationsmaßnahmen in Abstimmung mit HR, Kommunikation, Strategie, Business Development und Schulung während der jeweiligen Projektphasen, die Identifizierung und Berücksichtigung interner Kräfte mit hemmender oder förderlicher Wirkung sowie das Training und Coaching von Führungskräften in Bezug auf ihre Rolle und Funktion im Projekt und gegenüber ihren Mitarbeitern.

 

Das Kommunikationsmanagement

Das Kommunikationsmanagement im Transformationsprojekt steuert sowohl die interne als auch externe Kommunikation, plant wirksame Strategien und führt zielgruppenspezifische Kommunikationsmaßnahmen durch, um Veränderungsthemen und ihre Auswirkungen verständlich zu vermitteln.

Die Verantwortungsbereiche umfassen interne Kommunikation im Projektteam und integrierte Projektkommunikation innerhalb und außerhalb des Unternehmens.

Zentrale Aufgaben umfassen die Steuerung von Kommunikationsprozessen, Entwicklung und Implementierung von Strategien, Zusammenarbeit mit anderen Projektbereichen und internen Stakeholdern, Formulierung von Botschaften entsprechend den strategischen Zielen, Optimierung der Kommunikationskanäle, Analyse von Aktivitäten und Maßnahmen sowie die Abstimmung mit internen und externen Interessenvertretern.

Durch diese Maßnahmen wird die Zusammenarbeit und Teamarbeit gefördert und die Kommunikation mit allen beteiligten Parteien sichergestellt.

 

Die Business Analysten

In der heutigen Zeit erfolgt die digitale Transformation, oft in Form einer kombinierten Einführung oder Upgrade eines IT-Systems, kaum noch ohne die Beteiligung von Business Analysten. Diese werden in der Regel vom jeweiligen Softwareanbieter eingestellt oder sind auf spezifische Software spezialisiert.

Sie bringen das erforderliche IT-Fachwissen in das Projekt ein. Außerdem verfügen sie über ein detailliertes Verständnis der Möglichkeiten und Beschränkungen der Software sowie die Realisierung bestimmter Anforderungen und der optimalen Anbindung anderer Anwendungen.

Diese spezifische Fachkompetenz im Bereich der IT-Systeme ist in der Regel nicht intern im Unternehmen vorhanden und es wäre auch nicht wirtschaftlich, diese langfristig vorzuhalten. Die Business Analysten unterstützen dabei, die internen Unternehmensanforderungen in die Sprache der Software zu übersetzen und umzusetzen.

Mit dem hohen Maß an Fachexpertise bildet die Rolle des Business Analyst die Brücke zwischen Fachbereich und IT. Sie hat die Aufgabe, Anforderungen der Fachbereiche zu verstehen, zu analysieren und diese so festzuhalten, dass ein Entwicklungsteam aus Software Developern und Modellierer*innen diese umsetzen kann.

 

Die Software Entwicklung

Softwareentwickler, auch Software Developer genannt, schreiben grundsätzlich Code für Software, der die Anforderungen der Fachbereiche erfüllt und die Gesamtfunktionalität eines IT-Systems sicherstellt. Sie entwerfen, erstellen, implementieren und testen Anwendungen. In IT-Projekten, in denen Anforderungen auch durch Fachbereiche technisch modelliert werden können, entwickeln sie meist die eher individuellen Anforderungen gemeinsam mit den Business Analysten. In diesem Fall entsteht Code für diejenigen Anforderungen, die nicht durch Modellierung durch die Business Analysten abgedeckt werden kann. Software Developer arbeiten meist in agilen Arbeitsweisen in sogenannten Sprints.

 

Das Qualitätsmanagement

Die Etablierung eines Qualitätsmanagements (Project Quality Assurance) hat sich insbesondere in komplexen Projekten als äußerst wirksam erwiesen. Diese Einheiten sind nicht operativ im Projekt involviert, sondern fokussieren sich auf die Überwachung und Kontrolle der erbrachten Leistung bzw. Qualität. Sie sind in der Lage, beispielsweise die Erfüllung von Meilensteinen zu überprüfen, bevor sie von der Projektleitung akzeptiert werden. Durch anschließende Nacharbeiten und Korrekturen kann somit das (Zwischen-)Ergebnis deutlich verbessert werden. Zudem ist es Aufgabe der Qualitätsmanager, die Arbeitsqualität und Prozesseffizienz zu überwachen und Vorschläge zur Verbesserung zu unterbreiten.

Besonders geeignet für diese Rolle sind Mitarbeiter mit umfangreicher Erfahrung in leitenden Positionen großer Projekte. Während Projektleiter und -team stark in den täglichen Abläufen des Projekts eingebunden sind, können Qualitätsmanager einen kritischen Überblick bewahren, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Kriterien berücksichtigt werden.