Erfahrungsbericht zur deutschen SoCraTes Konferenz 2018

Was ist die SoCraTes Konferenz?

Die ‘International Conference for Software Craft and Testing’ (kurz SoCraTes) ist eine Konferenz für Softwareentwickler im Bereich Software Craft und Testing. Sie findet weltweit mehrmals an unterschiedlichen Orten statt: UK, Italien, Finnland, Schweiz, Frankreich, USA. Ich habe an der diesjährigen deutschen SoCraTes in Soltau im August 2018 teilgenommen.

Wieso SoCraTes?

Einige meiner Kommilitonen aus meiner Studienzeit haben mich unabhängig voneinander auf die Konferenz aufmerksam gemacht. Daher habe ich mich etwas im Netz informiert und konnte weitestgehend nur positives Feedback entdecken. Aus diesem Grund habe ich bei meinem letzten Mitarbeitergespräch darum gebeten an der Konferenz teilnehmen zu dürfen – was problemlos möglich war.

Wie ist das Konferenz-Setting?

Die Konferenz fand im ‚Hotel Park Soltau‘ statt. Das gesamte Hotelgelände war exklusiv für die Konferenz reserviert. Es bietet neben zahlreichen Einzel- und Doppelzimmern einen schönen Innenhof, einen großen Speisesaal mit üppigem Buffet sowie 23 Meetingräumen, größtenteils mit Beamer und Flipchart, die während des Konferenzzeitraums von allen Teilnehmern genutzt werden können.

Die Anzahl der Konferenzplätze ist limitiert und betrug dieses Jahr ca. 220 Plätze. Die Nachfrage ist meist größer als das Angebot, sodass die Plätze nach der Anmeldefrist ausgelost werden. Hierbei erhalten einige Personengruppen bei der Auslosung Priorität. Konkret sind das: Women in tech, People of Color, LGBTQIA+ folk, People from abroad, Disabled people, Neurodivergent people. Konferenzsprache ist Englisch, da auch Softwareentwickler aus dem Ausland an der Konferenz teilnehmen.

Schon das Basis-Setting unterscheidet sich grundlegend von den meisten Konferenzen.

  • Große Diversität an Teilnehmern
  • Limitierte Teilnehmer-Anzahl
  • Gesamtes Hotelgelände exklusiv für die Konferenz und die Teilnehmer (hat mir persönlich am Meisten gefallen)

Hierdurch entstand bei mir ein Gefühl a la ‚Silicon Valley‘, also unter einer Gruppe von leidenschaftlichen IT-Experten zu sein und gemeinsame Erfahrungen auszutauschen.

Wie die Konferenz-Tage ablaufen

Die Konferenz funktioniert nach dem ‚Open Space‘ Prinzip. Das heißt es gibt zunächst keine feste Agenda bezüglich der Vorträge während der Konferenztage. Stattdessen werden diese täglich morgens um 9 Uhr, nach einem üppigen Frühstücksbuffet, gemeinsam unter allen Konferenzteilnehmern festgelegt.

Das läuft nach folgendem Muster ab:

  1. Um 9 Uhr treffen sich alle im großen Konferenzraum, wo bereits unbeschriftete Stichwortkarten und Eddings ausliegen
  2. Jeder darf sich welche nehmen und draufschreiben, zu welchem Thema er/sie einen Vortrag/Diskussion halten möchte
  3. Nach einer kurzen Ansprache der Organisatoren kommen alle Entwickler, die ein Thema anbieten möchten, nach vorne und geben der Reihe nach ihr Thema bekannt, Prinzip „First come, first serve“. Dazu wird auch Konferenzraum und Zeit festgelegt. Ein Vortrag dauert ca. 45 Minuten bis eine Stunde – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die Themengruppen lassen sich grob in drei Kategorien gliedern:

  • „Tech“ (z. B. Tools, Programmiersprachen, Programmierparadigmen, Katas…),
  • „Softskills“ (z. B. ‚Conflict at Work‘ oder ‚Nonviolent Communication‘)
  • „I need your Help“, also Themen bei denen es um eine konkrete Problemsituation geht und wo ein direkter Erfahrungsaustausch gewünscht ist

Was zunächst sehr vage und chaotisch klingt, hat in der Praxis erstaunlich gut funktioniert – hier die Themenliste – was wohl nicht zuletzt an den motivierten, leidenschaftlichen Teilnehmern liegt.

Mir persönlich hat insbesondere auch der Softskill-Bereich gefallen – konkret das Thema ‚Non-violent Communication‘ – da man hier sowohl was fürs Arbeits- als auch Privatleben mitnehmen kann. Vor allem kommt man in diesem Bereich mit Themen des Arbeitsalltags in Berührung, die man im Studium oder in der Ausbildung nicht lernt (und wohl auch nicht lernen kann).

Die Vorträge sind keine klassischen PowerPoint Vorträge, sondern recht freie Vorträge mit FlipChart, in denen reges Diskutieren explizit erwünscht ist. Der Fokus der gesamten Konferenz liegt auf dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch.

Die Vorträge am Vormittag laufen von 10 – 12 Uhr, gefolgt von einer zweistündigen Mittagspause (die zum direkten Kommunikationsaustausch anregt) mit weiteren Vorträgen von 14 – 17 Uhr. Um 17 Uhr treffen sich alle Konferenzteilnehmer im großen Konferenzsaal und berichten kurz über ihre Erfahrungen während der Vorträge. Dabei werden weitere Vorträge/Diskussion für den Abend und den darauffolgenden Morgen (bis 9 Uhr) bekanntgegeben. Zeit für das gemeinsame Abendessen ist dann von 18 bis 20 Uhr.

Die Themenbereiche für die Abendvorträge waren etwas freier gestaltet: Es gab technische Vorträge, gemeinsame Brettspiele und recht kuriosen Themen wie ‚How to get better at Tetris‘. Natürlich war es auch jederzeit möglich den Abend gemütlich mit anderen Entwicklern bei einem gemeinsamen Bier zu verbringen.

Insbesondere die Abendvorträge waren aus meiner Sicht ein weiteres großes Plus der Konferenz, da man hier weitere Entwickler kennenlernen und gegenseitige Erfahrungen austauschen konnte. – So gut wie undenkbar bei einer regulären Konferenz.

Konferenzkosten

Der Konferenzpreis selbst lag für die SoCraTes 2018 unter 500 Euro (ja, da fehlt keine 0) und beinhaltete die Hotelkosten, alle nicht-alkoholischen Getränke, das Essen, sowie die Konferenz selbst.

Welche Themen fand ich besonders interessant?

Neben dem besonders interessanten „Non-violent Communication“ Vortrag, hat mir persönlich der Vortrag zum Popcorn-FlowChart gefallen. Hierbei handelt es sich um eine Methode, um zu identifizierten Problemen zeitlich begrenzte Experimente zu definieren, durchzuführen und zu reviewen. So wird ermittelt, ob das Experiment zur Problemlösung beigetragen hat.

Popcorn steht für „Problems, Options, Possible Experiments, Commited Experiments, Ongoing Experiments, Review, Next“, wobei jeder Begriff eine Spalte im FlowChart representiert. Das Popcorn-FlowChart gibt also den strukturellen Rahmen für einen Änderungsprozess vor und funktioniert hierbei ähnlich wie ein Kanban-Board. Mehr Informationen findet ihr unter https://popcornflow.com/.

Wer sollte die SoCraTes Konferenz besuchen?

Die SoCraTes ist eine ideale Konferenz für leidenschaftliche und motivierte Personen jeden Alters aus dem Bereich der Softwareentwicklung, die offen gegenüber neuen Erfahrungen sind und gerne über den Tellerrand hinaus blicken. Hierbei sollen auch Kinder kein Hindernis sein. Auf der SoCraTes 2018 gab es einige Teilnehmer, die Ihre Familie mitgebracht haben.

Fazit

Die SoCraTes 2018 in Soltau war für mich die bisher beste und wertvollste Konferenz meiner bisherigen IT Karriere. Ich habe viele interessante Vorträge gehört (an denen ich aktiv teilnehmen durfte) und zahlreiche neue Leute kennen gelernt. Ich freue mich schon auf die nächste SoCraTes 2019 in Soltau.

Nützliche Links

Slack-Channel: https://socrates-conference.slack.com
Popcorn Flow Chart: https://popcornflow.com/
Nonviolent Communication: https://en.wikipedia.org/wiki/Nonviolent_Communication

Bildquelle: Anna Biebl