Eine S/4HANA-Transformation ist ebenso komplex wie erklärungsbedürftig. Insbesondere aus Sicht der Anwender, die sich vorab – meist lange bevor sie mit der Implementierung tatsächlich in Berührung kommen – drei zentrale Fragen stellen:

  • Warum machen wir das Ganze?
  • Wo soll uns das Ganze als Organisation hinführen?
  • Was habe ich persönlich davon?

Kurz & knapp

  • Frühzeitige Strategie- und Storyentwicklung: Ein ganzheitliches Transformationsmanagement bringt diese verschiedenen Sichten frühzeitig zusammen und gleicht Interessen ab zwischen den Fachbereichen und vor allem zwischen den Fachbereichen und der IT.
  • In der Kommunikation sollte unbedingt darauf geachtet werden, welche Argumentation bei den relevanten Stakeholdern und möglichen Change-Botschaftern verfängt und mit welchen Argumenten diese dann selbst die Werbetrommel für das Programm rühren können.

Markus Czeslik ist Principal Consultant bei mgm consulting partners und berät Unternehmen seit mehr als 13 Jahren an der Schnittstelle von Change Management, Business Transformation und Kommunikation, u.a. bei Reorganisationen und komplexen IT-Implementierungen. Gemeinsam mit Thomas Brugger, Ariane Hager und Matthias Uebel veröffentlichte er das Buch „Business Transformation mit S/4HANA“ im Springer Gabler Verlag.

 

Je nach Unternehmenskontext werden diese Fragen sehr unterschiedlich beantwortet. Wer es sich leicht macht und sein Botschaften-Set auf die wiederkehrende Formel „weil der Support ausläuft“ oder „weil wir effizienter werden müssen“ reduziert, riskiert gleich zu Beginn das Commitment der relevanten Stakeholder.

Strategie- und Storyentwicklung gehen Hand in Hand. Nicht selten beschäftigt sich das Management erst dann intensiv mit der Frage nach der Grundmotivation hinter der S/4HANA Implementierung, wenn die Erstkommunikation auf der Agenda steht: Wie bringen wir unsere Strategie auf den Punkt? Wie vermitteln wir das Warum und Wozu so prägnant, dass es die verschiedenen Stakeholder-Gruppen in ihren spezifischen beruflichen Kontext einordnen können? Wie genau können wir den Zielzustand aufzeigen trotz aller strategischen, technologischen und ökonomischen Ungewissheiten, mit denen das Programm in den kommenden Jahren konfrontiert sein wird?

Das sind die Leitfragen, die mit der gewissenhaften Vorbereitung der Kommunikation rund um eine S/4HANA-Einführung einhergehen. Viele Organisationen verwechseln dann Kommunikation entweder mit Einbahnstraßen-Information oder mit Marketing und verkürzen die Story auf einen gut klingenden Claim. Selbstverständlich sollte im Projektmarketing auch unterstützend ein Claim eingesetzt werden. Doch dürfen Mitarbeiter nicht den Eindruck haben, ihnen soll hier etwas verkauft werden. Die Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, wenn sich zwischen erlebtem Istzustand und einem in Superlativen ausgemalten Zielzustand eine unüberwindbare Kluft auftut – bzw. auch, wenn der Istzustand von verschiedenen Seiten ganz unterschiedlich wahrgenommen wird.

Ein ganzheitliches Transformationsmanagement bringt diese verschiedenen Sichten frühzeitig zusammen und gleicht Interessen ab zwischen den Fachbereichen und vor allem zwischen den Fachbereichen und der IT. Es bezieht frühzeitig die Perspektive der User und Key User ein, wenn die Frage in den Raum geworfen wird: Welches dringende Problem wollen wir mit der S/4HANA-Einführung vorrangig lösen? Wichtig ist hier eine ganzheitliche Sichtweise auf das Business, die IT und die Weiterentwicklung der Organisation, ggf. auch der Unternehmenskultur.

Das Ergebnis ist ein gemeinsam erarbeitetes Dokument, das die inhaltliche Richtung und Tonalität vorgibt und folgende Funktionen erfüllt: Die Story

  • schafft einen nachvollziehbaren Sinnzusammenhang („die Einzelteile fügen sich zu einem Ganzen“)
  • macht die Notwendigkeit einer Veränderung nachvollziehbar („wir kommen nicht daran vorbei“)
  • berücksichtigt gleichermaßen die Unternehmens- und Mitarbeiterperspektive („what‘s in it for me?“)
  • gibt Orientierung („wir kennen unseren Weg“)
  • dient als roter Faden bzw. Referenzdokument für die gesamte Kommunikation nach innen und außen („darauf kommen wir immer wieder zurück“)
  • leitet den Informationsfluss in die richtige Richtung („wir im Führungskreis behalten die Deutungshoheit“)
  • schafft Transparenz und Klarheit („das wissen wir – das wissen wir bislang noch nicht“)
  • vermittelt Sicherheit („wir im Management stehen zu unserer Entscheidung und unterstützen“)
  • sichert eine konsistente Kommunikation über verschiedene Hierarchieebenen hinweg („wir Führungskräfte sprechen mit einer Stimme“)
  • baut auch emotional eine Brücke zu den betroffenen Stakeholdern („das spricht mich als Anwender an – jenseits von Zahlen, Daten, Fakten“)
  • sensibilisiert für Chancen und Herausforderungen („das wird uns weiterbringen, wenn wir folgendes beachten…“)
  • wirkt identitätsstiftend („das ist unser gemeinsames Thema, das machen wir zu unserer gemeinsamen Sache“)
  • erzeugt Aufbruchstimmung („das packen wir jetzt an“)

Fehlt diese Transformation Story oder formuliert sich jeder im Führungskreis seine eigenen Botschaften, wird gleich zu Beginn viel Vertrauen verspielt. Teams und Abteilungen tauschen sich darüber aus, was ihnen das Management im Hinblick auf die anstehende S/4 Transformation präsentiert. „Das hat vorhin aber noch ganz anders geklungen“, „das ist doch nur die halbe Wahrheit“ oder „das kann ja nur schief gehen“, sind häufige Reaktionen von Mitarbeitern, wenn der Führungskreis nicht mit einer Stimme spricht.

Es schleicht sich schnell der Verdacht ein: Unser Management ist sich in der strategischen Ausrichtung und Zielsetzung, die es mit S/4HANA verbindet, uneins, jeder Bereich auf seinen eigenen Vorteil bedacht – und womöglich werden Informationen bewusst zurückgehalten. Weit verbreitet sind Befürchtungen, dass mit der S/4HANA-Transformation quasi durch die „Effizienz-Hintertür“ und zugunsten einer stärkeren Automatisierung letztlich auch ein Stellenabbau einhergeht. Entsprechend zurückhaltend werden die Know-how-Träger selbst im Implementierungsprozess agieren, wenn sie ihr Wissen einbringen oder sich an der Diskussion beteiligen sollen, welche Vorteile sie in ihrem Tätigkeitsbereich mit S/4HANA erzielen können.

Damit die Botschaften zur S/4 Transformation im Rest der Organisation ankommen, gilt es folgendes zu beachten:

Eine Transformation Story

  • überzeugt durch Klarheit und Verständlichkeit
  • gibt keine abstrakten Versprechen
  • wiederholt auch selbstverständliche Botschaften
  • ist mit konkreten Beispielen unterfüttert
  • spricht Mitarbeiter als Mitgestalter an und
  • erläutert, was sie erwarten dürfen und gleichzeitig auch, was von ihnen erwartet wird

Eine wichtige Übung in der Storyentwicklung: Wir konfrontieren eine Führungskraft mit der Situation, dass sie einen Mitarbeiter im Fahrstuhl oder auf dem Flur trifft und gefragt wird, warum an der Einführung von S/4HANA kein Weg vorbeiführt. Das Ergebnis ist ein Elevator Pitch, den jeder Manager – selbst wenn er nachts aus dem Schlaf gerissen würde – gebetsmühlenartig abrufen kann.

Die ersten Antworten, die dem Führungskreis einfallen, lauten häufig „mehr Effizienz“, „mehr Automatisierung“, „Konzentration auf Kernaufgaben“ o.Ä. Doch das Managementvokabular wird schnell als leere Formel entlarvt. Außerdem: Sind diese Vorteile, die sich zweifellos für die Organisation ergeben, gleich stark und überzeugend aus Sicht der meisten betroffenen Mitarbeiter? Eher nicht.

In der Kommunikation sollte unbedingt darauf geachtet werden, welche Argumentation bei diesen relevanten Stakeholdern und möglichen Change-Botschaftern verfängt und mit welchen Argumenten diese dann selbst die Werbetrommel für das Programm rühren können. Es empfiehlt sich ein parallel zum Programmfortschritt zunehmender Detaillierungsgrad in der Kommunikation, beginnend mit den strategischen Leitplanken über die eigentlichen Projektinhalte und -strukturen bis zur Vorgehensweise, Methodik und den definierten Meilensteinen.

So früh wie möglich muss klar sein: Wer wird wann betroffen sein bzw. wer soll wann und wie einbezogen werden – und in welcher Frequenz erfolgt die Kommunikation zum Programmfortschritt? Das gibt jedem die nötige Orientierung und baut Vertrauen auf. In der nachfolgenden Kommunikation gilt es dann immer wieder auf die Transformation Story zu referenzieren, die im Übrigen langfristig gültig sein sollte. Verändern sich jedoch die Vorzeichen im Programm gravierend, müssen auch die ursprünglich entwickelten Botschaften noch einmal auf den Prüfstand kommen. In jedem Fall gilt: Nur wenn Sprechen und Handeln, kommunizierte Botschaften und sichtbares Verhalten als kongruent wahrgenommen werden, hat das Transformationsprogramm eine echte Erfolgschance.