Ausgebremste oder gescheiterte ERP-Projekte sind leider kein Einzelfall. Die Ursachen dafür liegen zumeist in der Komplexität des Vorhabens begründet, denn die Einführung von ERP-Systemen wie z. B. SAP S/4HANA ist mehr als nur eine technische Umstellung. Es stellt eine große Veränderung in den Prozessen und der Arbeitsweise eines Unternehmens dar und bietet strategische Chancen, um im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben.

Kurz & knapp

  • Die meisten ERP-Transformationen scheitern aufgrund von mangelnder Vorbereitung und unzureichendem Fachwissen für eine so weitreichende Umstellung.
  • Mithilfe unseres hauseigenem ADDVALUE-Frameworks bieten wir Unternehmen eine umfassende Orientierung während des Transformationsprozesses.
  • Unser Framework berücksichtigt dabei die strukturellen und kulturellen Effekte der Transformation, um eine Brücke zwischen Unternehmensvision und dem Alltagshandeln der Mitarbeiter*innen zu schlagen.

Eine erfolgreiche Unternehmens- oder Projektstrategie ist abhängig von einer Kultur, die die Mitarbeiter*innen dazu ermutigt, sie umzusetzen. Daher ist das Change Management in Transformationsprojekten von großer Bedeutung und wichtig für den Projekterfolg. 

Die Wirkung und Intensität der Einflussfaktoren, die von den Menschen, ihren Arbeitsweisen und Motivationen ausgehen, werden oft am Anfang einer systembedingten Transformation unterschätzt. Dabei sind sie immanent wichtig und lassen sich unserer Erfahrung nach bei Berücksichtigung der folgenden Erfolgsfaktoren gut managen:

  • Eindeutige Unternehmens- und Projektziele
    Alle Beteiligten haben verinnerlicht, wie die Projektziele auf die Unternehmensziele einzahlen und wie die Software künftig zur Wertschöpfung beiträgt.
  • Commitment und Support des Managements
    Das Management unterstützt das Projekt und treibt es aktiv voran. Ressourcen werden bereitgestellt und Hindernisse beseitigt.
  • ERP-Implementierung als „Business-Change“ verstehen
    Die Prozesse und oft auch organisationalen Strukturen werden neu geordnet – den Fachbereichen ist dabei klar, welchen Beitrag sie leisten können.
  • Positive Kollaborations- und Führungskultur
    Die in- und externe Vernetzung von Daten und Menschen wird gefördert und eine neue Kollaborationskultur aktiv unterstützt.
  • Einklang von Können, Wollen und Dürfen
    Ein erfolgreich eingeführtes ERP-System ermöglicht den Mitarbeiter*innen mehr Freiraum für die wertschöpfenden Aufgaben. In ihnen finden sich die Mitarbeiter*innen mit ihren Kompetenzen besser wieder als in Routineaufgaben („Können”). Die Transformation wirkt sich positiv auf ein motivierendes Arbeitsumfeld und die Zufriedenheit aus („Wollen“). Das Management gibt den Rahmen vor, in dem Neues ausprobiert wird („Dürfen”).

So kann eine ERP-Transformation gelingen, die von einer Mehrheit der Mitarbeiter*innen gewollt ist und im Einklang mit den Unternehmenszielen steht.

Das ADDVALUE Framework im Überblick

Für die Einführung von SAP S/4HANA wurde von unserem Team das Transformation Framework ADDVALUE entwickelt. Es betrachtet die technische Implementierung zusammen mit den Herausforderungen in Business, IT und Organisation und bietet Unternehmen eine umfassende Orientierung während des Transformationsprozesses. Es besteht aus acht Projektphasen mit entsprechenden Methoden und Werkzeugen, welche die technische Implementierung umrahmen, fördert das Alignment von Business und IT, die Weiterentwicklung von Mitarbeiter*innen und Führungskräften und die vernetzte Zusammenarbeit über Abteilungen hinweg.

Die Phasen harmonieren mit den im Rahmen von SAP Activate empfohlenen Maßnahmen und bilden ein komplementäres Modell. Dabei wird in Kauf genommen, dass einzelne Phasen auch überlappend durchlaufen werden. Dies hat sich in der Praxis bislang als pragmatischer Weg erwiesen. Im Folgenden wird ein Überblick über die jeweiligen Schwerpunkte gegeben.

Das ADDVALUE-Framework

Die acht Phasen des Vorgehensmodells

ALIGN – Abgleich von (Digitalisierungs-)Strategie und Projektportfolio

Zu Beginn des Projektes wird eine Grundlage für Entscheidungen im Rahmen der digitalen Transformation geschaffen. Das Management schafft ein gemeinsames Verständnis über den strategischen Kontext eines ERP-Projektes sowie die Veränderungsdimensionen und Auswirkungen auf die Strategie und Organisation des Unternehmens. Ein gemeinsames Commitment der Führungskräfte zu den strategischen Zielen und Leitplanken der digitalen Transformation (digitale Agenda) ist ebenso unerlässlich wie eine strategische Priorisierung im gesamten Projektportfolio unter Berücksichtigung von Zielen und Wechselwirkungen.

DEVELOP – Der Rahmen für die Transformation wird gesetzt

Die geeignete Implementierungsstrategie im Hinblick auf die strategische Ausrichtung wird ausgewählt, der Business-Case erarbeitet sowie eine Projektvision und Change-Management-Strategie entwickelt. Die IT ist damit beschäftigt, die vorhandene Infrastruktur und Systemlandschaft mit den zukünftigen Anforderungen abzugleichen. Das Change Management begleitet, moderiert zentrale Entscheidungsprozesse und leitet die Auswirkungen dieser Entscheidungen auf Mensch und Organisation ab. Ziel ist es, Transparenz über den Istzustand zu schaffen und kritische Lücken zu identifizieren.

DESIRE – Bereitschaft zur Transformation gezielt steigern

Das Projekt ist in den nächsten Phasen entscheidend auf die Mit- und Zuarbeit von vielen weiteren Beteiligten angewiesen. Deshalb muss im Unternehmen ein starker Wunsch erzeugt werden, die gesamte Organisation mit diesem Projekt entscheidend voranzubringen. Es wird eine nachvollziehbare Change-Story entwickelt, die der gesamten Kommunikation die Richtung vorgibt und beschreibt, welche Veränderungen wann auf wen zukommen und wie sich die Organisation am Ende konkret aufstellt.

VERFIY – Verifizieren des Veränderungsumfangs und Verfeinern der Werkzeuge

Diese Phase steht üblicherweise ganz im Zeichen der Fit-to-Standard-Workshops. Sie sind erfolgskritisch für den gesamten Projektverlauf und es wird viel Fingerspitzengefühl im Austarieren der unterschiedlichen Interessen benötigt. Es gilt in den Workshops vor allem, die Chancen einer ERP-Einführung für das Business in den Blick zu nehmen und mit den unterschiedlichen Interessen der Organisationseinheiten abzugleichen. Ohne die Bereitschaft beider Seiten aufeinander zuzugehen, wird diese Phase nicht von Erfolg gekrönt sein.

APPLY – Die erfolgreiche (agile) Realisierung unterstützen

Diese Phase ist geprägt von agilen Entwicklungsschleifen zur Abbildung der Prozesse im neuen System. Da zu diesem Zeitpunkt noch kein fertiges System zur Verfügung steht, finden hier umfangreiche Tests mit einem immer größeren Kreis von Anwender*innen statt. Ausgewählte Key-User können erste Eindrücke vom neuen System in den einzelnen Organisationseinheiten teilen.

LAUNCH – Arbeitsfähigkeit zum Go-live sicherstellen

In den letzten Wochen vor dem Launch beginnt eine detaillierte Cut-over-Planung. Jede*r Projektbeteiligte muss genauestens seine Aufgabe kennen, daher spielt die unternehmensweite Go-live-Kommunikation noch einmal eine wesentliche Rolle. Die IT setzt ein entsprechendes Problem- und Fehlermanagement mit klaren Vorgaben auf, wie mit auftretenden Problemen und Supportanfragen umzugehen ist. Die LAUNCH-Phase ist noch einmal ein wichtiger Test für das Zusammenspiel von Business und IT. Nur wenn im Laufe der vorangegangenen Monate genügend Vertrauen aufgebaut wurde, wird diese kritische Phase gemeinsam zu meistern sein.

UNFOLD – Die neue S/4HANA-Organisation verstetigen

Mit dem erfolgten Go-live beginnt der „Hyper-care“, eine möglichst kurze Übergangsphase, bevor das Unternehmen wieder in einen stabilen Zustand wechseln kann und beispielsweise die Prozessverantwortung an die Linienorganisation zurückgibt. Mit dem Übergang in ruhigeres Fahrwasser sollten nun auch Erfolge gefeiert werden.

EXPAND – Fortführung der digitalen Transformation in die Zukunft

Die Phase EXPAND gehört nicht mehr zum eigentlichen ERP-Projekt, doch werden hier die Weichen gestellt für mögliche Erweiterungen und Optimierungen. Dazu gehört etwa die Anbindung weiterer Organisationseinheiten, die Ergänzung um zusätzliche Anwendungen und Funktionen sowie das stetige Hinterfragen der Prozesse und die Implementierung neuer Technologien.

Fazit

Ein wesentlicher Vorteil der digitalen Transformation ist, mehr Agilität und Flexibilität in der IT und gesamten Organisation zu erzeugen, um kontinuierlichen Wandel besser zu ermöglichen. Das vorgestellte Framework berücksichtigt dabei die prozessualen, strukturellen und kulturellen Effekte einer ERP-Transformation, bezogen auf die gesamte Organisation mit allen Wechselwirkungen. Es hilft, eine Brücke von der Unternehmensvision zum konkreten Alltagshandeln der Mitarbeiter*innen zu schlagen. Denn nur wenn dieser Brückenschlag gelingt, wird so ein weitreichendes Transformationsprojekt Erfolg haben.

Den vollständigen Artikel finden Sie in der aktuellen Printausgabe des Magazins ERP-Information oder kostenlos online.

Für weitere Informationen für eine erfolgreiche SAP S4/HANA Transformation empfehlen wir unser Fachbuch Business Transformation mit S4/HANA.