Geschäftskontinuität im Carve-out: So bleibt der Betrieb stabil trotz IT-Trennung 

Zuletzt aktualisiert am: 13. November 2025

Ein Carve-Out ist weit mehr als eine organisatorische oder rechtliche Abspaltung – er ist ein chirurgischer Eingriff in das Nervensystem eines Unternehmens. Denn mit der Trennung gehen fast immer tiefgreifende Veränderungen in der IT-Landschaft einher: Systeme müssen entkoppelt, Daten migriert und Nutzer neu zugeordnet werden. Dabei darf eines nicht passieren: der Stillstand.

Für CFOs, M&A-Verantwortliche und vor allem IT-Leiter:innen bedeutet das eine doppelte Herausforderung. Während der neue Geschäftsbereich technisch und organisatorisch auf eigene Beine gestellt wird, muss gleichzeitig der laufende Betrieb störungsfrei weiterlaufen – ohne Unterbrechungen, ohne Datenverlust, ohne Reibungsverluste im Tagesgeschäft.

Dieser Beitrag zeigt, wie Unternehmen mit strukturiertem IT-Projektmanagement, Übergangsarchitekturen und gut abgestimmten Notfallplänen genau das erreichen können: Stabilität im Wandel.

Warum Carve-Outs die Geschäftskontinuität gefährden können

Carve-Outs bringen zwangsläufig Bewegung in die gewachsenen IT-Strukturen. Das eröffnet Chancen, birgt aber auch erhebliche Risiken:

  • Unvollständige Trennung: Wenn Daten oder Systeme übersehen werden, laufen Prozesse nach der Ausgliederung ungewollt weiter über das Altunternehmen.
  • Serviceausfälle: Fehlende Zugriffe auf ERP-Systeme, E-Mail oder Dateien können den Betrieb über Tage oder Wochen lahmlegen.
  • Verzögerter Go-Live: Unklare Verantwortlichkeiten oder technische Rückstände führen schnell zu verschobenen Meilensteinen – mit unmittelbaren Folgen für das operative Geschäft.
  • Kostenexplosion durch Notlösungen: Werden notwendige Übergangsmaßnahmen nicht rechtzeitig geplant, schlagen manuelle Workarounds oder verlängerte TSAs teuer zu Buche.

Deshalb ist die IT nicht nur Unterstützerin – sie ist tragende Säule für das Gelingen eines Carve-Outs.

IT-Projektmanagement und Planung als Erfolgsfaktor

Die wichtigste Maßnahme, um Geschäftskontinuität zu sichern: IT und Betrieb müssen frühzeitig und koordiniert eingebunden werden.

Best Practices zeigen:

  • Frühzeitige Einbindung der IT-Abteilung in die M&A-Planung – idealerweise noch vor Signing.
  • Klare Projektstruktur und Verantwortlichkeiten für IT Infrastruktur, Systeme & Applikationen (inkl. ERP), Security, Support und Kommunikation , Security, Support und Kommunikation.
  • Durchgängiges Change Management, das auch die Auswirkungen auf Nutzer:innen und Prozesse berücksichtigt.
  • Transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern, um Vertrauen aufzubauen und Unsicherheiten zu minimieren.

Ein zentraler Erfolgsfaktor: Die Trennung darf nicht nur technisch gedacht werden – sie muss auch die operative Alltagstauglichkeit absichern. Dazu empfiehlt es sich, das Vorgehen an Methoden wie bspw. dem User Journey Mapping zu orientieren, um die Nutzersicht entsprechend zu berücksichtigen.

Technische Betriebsfähigkeit absichern: Worauf es im IT-Alltag während des Carve-Outs ankommt

Auch wenn Projektpläne, Governance und Migrationsarchitektur stimmen – scheitert der operative IT-Betrieb, kommt der Geschäftserfolg ins Straucheln. Deshalb sollten Verantwortliche bei der Carve-Out-Planung nicht nur an die großen Linien denken, sondern auch an die alltäglichen IT-Abläufe, die den Betrieb Tag für Tag am Laufen halten.

Einige kritische Aspekte im operativen Betrieb:

  • Helpdesk & Support-Organisation: Wer hilft den Nutzer:innen ab Day 1? Wird der bestehende Helpdesk weitergenutzt (z. B. über TSA), oder ist ein neuer 1st-/2nd-Level-Support eingerichtet? Klare Eskalationspfade und Servicezeiten sind Pflicht.
  • Zugriff auf zentrale Systeme & Netzwerke: Wird z. B. der Zugriff auf SAP, CRM oder Fileserver per VPN geregelt? Wie läuft der Zugriff auf E-Mail und Kalender?
  • Monitoring & Systemverfügbarkeit: Zentrale Dienste (z. B. Datenbanken, Schnittstellen, Printservices) müssen aktiv überwacht werden.
  • Patch- & Release-Management: Verantwortlichkeiten für Updates, Sicherheits-Patches und neue Releases müssen klar geregelt sein.
  • Backup & Restore-Konzepte: Die Wiederherstellung der Systeme sollte regelmäßig getestet werden – gerade im Übergang auf neue Umgebungen (z. B. Cloud).

Fazit: Wer den Betrieb im Detail absichert, reduziert Reibungsverluste – und gewinnt Zeit für nachhaltige Integration.

Übergangslösungen und TSAs richtig planen

Während die IT der ausgegliederten Einheit aufgebaut wird, sichern Transitional Service Agreements (TSAs) den laufenden Betrieb. Diese Übergangsverträge regeln, welche IT-Leistungen das Mutterhaus für einen begrenzten Zeitraum weiter erbringt – etwa Infrastrukturzugang, Lizenzen, Support oder Hosting.

Wichtig ist:

  • Frühzeitige Planung der TSAs – am besten bereits in der Vorbereitungsphase.
  • Klar definierte Leistungen und Laufzeiten, um spätere Missverständnisse und Kostenexplosionen zu vermeiden.
  • Minimierung der Abhängigkeit: Je kürzer die TSA-Dauer, desto größer die Unabhängigkeit des neuen Unternehmens.

Zudem sollten Notfallpläne bereitstehen, falls Leistungen nicht wie vereinbart erbracht werden – etwa durch temporäre Cloud-Lösungen, lokale Workarounds oder zusätzliches Service-Personal.

Praxisbeispiel: E.ON/innogy – Geschäftskontinuität in der Praxis

Ein besonders anschauliches Beispiel ist die Integration großer Teile der innogy in den E.ON-Konzern. Unter hohem Zeitdruck mussten über 34.000 Mitarbeitende und mehr als 6.000 Anwendungen in eine neue, stabile Systemlandschaft überführt werden – bei laufendem Geschäftsbetrieb und ohne Leistungsverlust.

Die mgm consulting partners begleiteten dieses Großprojekt. Entscheidend war hier:

  • Ein früh strukturiertes IT-Integrationsprogramm mit klaren Verantwortlichkeiten.
  • Nahtlose Übergangslösungen, die sowohl operative als auch regulatorische Anforderungen erfüllten.
  • Ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von Technik, Betrieb und Kommunikation – inklusive mehrfacher Probeläufe vor dem Go-Live.

Das Ergebnis: Die Versorgung, interne Abläufe und Kommunikationswege blieben trotz organisatorischer Umwälzungen stabil.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, empfehlen wir unseren Podcast IT-Transformation bei E.ON – Einblicke in eine der größten Fusionen der Energiebranche.

Empfehlungen für Mittelstand und Konzerne zusammengefasst

Ob Mittelständler oder Konzern – folgende Prinzipien haben sich bewährt:

  1. IT frühzeitig einbinden: Vom ersten Tag an sollte die IT Teil des M&A-Kerns sein.
  2. Betrieb im Detail planen: Nicht nur Systeme und Daten – auch Service, Support und Kommunikation müssen gesichert sein.
  3. Übergangsarchitekturen aufbauen: Übergangslösungen wie TSAs oder temporäre Cloud-Strukturen sollten pragmatisch, aber stabil sein.
  4. Stakeholder aktiv einbinden: Je klarer die Kommunikation, desto geringer die Reibungsverluste.
  5. Tests und Go-Live-Szenarien durchspielen: Nur wer seine Systeme unter Realbedingungen getestet hat, kann sicher starten.

Fazit: Stabilität ist planbar – wenn IT, Betrieb und Projektführung zusammenarbeiten

Carve-Outs sind hochkomplex, aber kein Blindflug. Wer frühzeitig die Weichen stellt, technische und organisatorische Aspekte gemeinsam denkt und den IT-Betrieb vorausschauend absichert, kann selbst große Umbrüche ohne Betriebsunterbrechung meistern.

Ihr Vorteil: Geschäftskontinuität wird nicht zum Zufallsprodukt, sondern zur planbaren Stärke im M&A-Prozess.

Weitere Informationen zu unseren Beratungsleistungen finden Sie auf der Website der mgm consulting partners.

Tobias Radtke
Tobias Radtke ist Principal Consultant mit Schwerpunkt CIO Advisory, IT-Projektmanagement und Merger & Acquisitions bei den mgm consulting partners. Er berät CIOs bei strategischen IT-Entscheidungen, leitet komplexe Projekte und unterstützt Unternehmen bei IT-seitigen Integrationen und Transaktionen.