Die Energiewirtschaft befindet sich ebenso wie viele andere Branchen mitten in der digitalen Transformation. Wie dieser disruptive Umbruch erfolgreich gestaltet werden kann, beleuchtet die zweibändige Fachpublikation „Realisierung Utility 4.0“, die nun im Springer-Verlag erschienen ist. Olaf Terhorst (Partner) und Marcus Warnke (Senior Manager) von mgm consulting partners sind Autoren des Artikels “Die Rolle der IT für Utilities 4.0”.
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Redaktion: Olaf Terhorst und Marcus Warnke von mgm consulting partners haben als Autoren einen Artikel zum Fachbuch „Realisierung Utilities 4.0“ beigesteuert, über den wir heute sprechen möchten. „Realisierung Utility 4.0“ ist das vierte von Oliver Doleski herausgegebene Fachbuch einer Serie, die sich mit Entwicklung in der Energiewirtschaft beschäftigt. Im neuesten Werk geht es darum, wie eine erfolgreiche digitale Transformation der Energiebranche in der Praxis aussehen kann. Hier ist die IT ein essenzieller Bestand, den ihr in eurem Artikel „Die Rolle der IT für die Utilities 4.0“ herausarbeitet habt und gesondert darstellt. Mögt ihr euch zunächst in einem Satz vorstellen und erzählen, wie ihr zu diesem Thema kommt und welchen Hintergrund ihr habt?
Olaf Terhorst: Mein Name ist Olaf Terhorst, ich bin einer der vier Partner bei mgm consulting partners. Ich berate seit zwanzig Jahren Unternehmen bei der Optimierung der IT-Organisation beziehungsweise der Rolle der IT in den Unternehmen, und seit 14 Jahren bin ich in dieser Funktion bei verschiedenen Energieversorgern unterwegs. Das fängt an mit Themen wir der Reorganisation, Strategieentwicklung und in den letzten Jahren sehr stark auch das Thema digitale Transformation.
Marcus Warnke: Mein Name ist Marcus Warnke, ich bin Organisationsentwickler, bin im Bereich Change Management und immer mehr in Richtung agiler Kulturentwicklung unterwegs. Ich mache das seit über zwanzig Jahren. Viele meiner Kunden sind in der Energiewirtschaft, nicht wenige sind in IT-Organisationen tätig, häufig sowohl als auch, das heißt IT-Organisationen in der Energiewirtschaft, wo ich dann auch viel mit dem Olaf zusammenarbeite. Dieses Wissen hat uns auf die Idee gebracht, in diesem Buch darzustellen, was wir über die Jahre an Erfahrungen gesammelt haben, beziehungsweise was wir an zukünftigen Entwicklungen sehen und für notwendig erachten.
Redaktion: Welchen Herausforderungen am Markt müssen sich Energieversorger heute stellen?
Marcus Warnke: Der Wert der Energieversorger ist viel, viel komplexer geworden, als das vor zwanzig Jahren der Fall war. Ein Teil der Komplexität ist, dass sich Kundenanforderungen geändert haben. Wir leben in einer digitalen Welt. Die nachwachsenden Generationen sind Digital Natives, die erwarten eine andere Form von Ansprache bei der Auswahl von Alltagsdingen wie Energie-, Strom-, Gasbezug. Die zweite Herausforderung ist, dass sich der Markt und die Technologie massiv verändern. In einer großen Geschwindigkeit entstehen einerseits neue Technologien in der Erzeugung, neue Technologien in der IT, wenn es darum geht, Daten, Netzdaten, Verbrauchsdaten und ähnliches weiterzuentwickeln und für Geschäftsmodelle möglich zu machen. Und die dritte große Herausforderung ist, dass die Anforderungen an IT-Sicherheit und die Anforderungen der Regulierung an die Marktgestaltung, die Veränderung dieser Marktgestaltung einen beständigen Zuwachs an Anforderungen für die Energieversorger mitbringen, und die müssen – egal, wie groß sie sind, klein oder groß – zukünftig in der Lage sein, alle drei Bereiche, alle drei großen Veränderungen abzudecken. Das ist eine ganze Menge.
Redaktion: Ihr beschreibt in eurem Artikel sehr gut, wie sich die Utilities in Zukunft ändern müssen. Dabei geht ihr auf verschiedene Bereiche ein, insbesondere die drei Punkte Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit, kunden- und produktzentriertes Handeln und Datenzentrierung. Könnt ihr noch einmal die wesentlichen Änderungen in dieser Hinsicht darstellen, vielleicht sogar mit einem Beispiel aus der Praxis?
Marcus Warnke: Ich fange an mit dem Thema Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit. All die Dinge, die wir gerade beschrieben haben, die sich verändern, verändern sich mit wachsender Geschwindigkeit. Alles wird immer schneller. Es ist nicht nur ein Zuwachs an Themen, sondern außerdem an Geschwindigkeit, mit der sich diese Themen verändern. Man muss in der Lage sein, das abzubilden. Die Energiebranche kommt aus der Vergangenheit aus einem eher ruhigen Fahrwasser, deswegen ist dies dort kulturell nicht so stark verwurzelt wie zum Beispiel in der IT-Softwareentwicklung. Das ist die eine große Herausforderung. Die zweite Herausforderung neben Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit ist das Thema Produkt- und Kundenorientierung. Historisch ist es so, dass Energie produziert, verteilt, verkauft und abgerechnet wurde. Das funktioniert zukünftig nicht mehr oder jetzt bereits nicht mehr, weil es A) nicht mehr nur um Energie geht, sondern außerdem um Dienstleistungen, die anders vermarktet, anders verkauft werden, und B) die Kunden andere Bedürfnisse haben. Das heißt, man muss lernen, so ein langweiliges Produkt wie Stromerzeugung oder Stromverteilung emotional in eine Customer Journey umzuwandeln, die Interesse weckt und wo die Leute sagen „Das macht für uns Sinn.“ Und der dritte Bereich, Datenzentrierung, da kommen wir später noch intensiver drauf, da geht es darum, dass zukünftig in der Energiewirtschaft Geld nicht mehr nur mit dem Bereitstellen und Verteilen von Energie oder Gas verdient wird, sondern mit den Daten, die dabei entstehen, und den daraus folgenden Geschäftsmodellen. Um das ganz praktisch zu machen, das war ja deine zweite Frage: Früher ist ein Wartungstechniker im Energienetz in die Fläche gefahren, über einen Feldweg geholpert, einen Mast hochgeklettert, hat geschaut „Wie sieht es da aus?“, ist nach Hause gefahren, hat im IT-System nachgeschaut, wo er war, und hat irgendwelche Einträge gemacht. Heute gibt es Systeme, wo solche Leitungen automatisiert mit Drohnen beflogen werden, die Geodaten, wo so ein Mast steht, werden automatisch übermittelt, die Drohne macht Fotos, die Fotos werden digital ausgewertet und man hat einen Bildschirm, auf dem auf der einen Seite das Foto vom Mast und dessen Zustand zu sehen ist, und auf der anderen Seite sieht man in den Bestandhaltungssystemen, was das für Technik ist, wann die gekauft wurde, welchen Preis, welchen Abschreibungswert und ähnliches das hat. Das macht den Unterschied.
Redaktion: Ihr befasst euch im Speziellen mit der Rolle der IT in den Utilities 4.0. Um die aktuelle Situation zu verstehen, ist es sinnvoll, einen kurzen Blick in die Vergangenheit zu werfen: Welche Rolle hatte die IT früher, beziehungsweise wie hat sich die IT in den letzten Jahren entwickelt?
Olaf Terhorst: Dazu würde ich gerne etwas sagen. In meiner Wahrnehmung und wie ich IT kennengelernt habe, als ich in den Achtzigern und Neunzigern als Schüler oder Student in Unternehmen als Praktikant unterwegs war, hat IT seinen Ursprung in den einzelnen Geschäftsbereichen gehabt. Das heißt, da haben einzelne Geschäftsprozesse nach Massenverarbeitungsmöglichkeiten gesucht und sich Informationstechnologie herangeholt, um das machen zu können. Je mehr IT oder Informationstechnologie angeschafft wurde, umso mehr suchte man nach Spezialisten, die sich um dieses Thema kümmern, so dass sich mit der Zeit eigene Informationstechnologieorganisationen gebildet haben, die diese Technologie betreuen, weiterentwickeln und betreiben. Und je länger das dauerte und je mehr diese Informationstechnologie reifte und ausdefiniert wurde, umso professioneller wurde diese IT-Organisation. Das heißt, sie entfernte sich immer weiter von dem Geschäftsprozess und von dem Business, und ist dann in den meisten Unternehmen in eine eigene IT-Organisation gekommen, teilweise in eine eigene GmbH ausgegründet worden oder noch weiter an einen Drittdienstleister weitergegeben worden. Beispiel sind da T-Systems, HP, heute DXC, die den Betrieb von Informationstechnologie für den Kunden übernehmen. Das hat zu Skaleneffekten geführt, zu einer Professionalisierung auf IT-Seite, und außerdem zu sogenannten Entfernungseffekten. Das heißt, man hat sich immer weiter von den Businessbereichen entfernt. Und das merkt man heute, wie ich finde, sehr stark, wo das Thema Digitalisierung ein großer Hoffnungsfaktor für die Geschäftsbereiche ist, um wieder neue, innovative Geschäftsideen zu entwickeln. Marcus hatte das gerade genannt, das geht ohne Informationstechnologie gar nicht. Und da wieder zusammenzubringen, dass die Informationstechnologie und das Business nicht mehr auf zwei verschiedenen Seiten stehen, sondern dass man gemeinsam anfängt ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, das ist momentan die große Herausforderung.
Redaktion: Wie würdet ihr die Rolle der IT in der Zukunft beschreiben?
Olaf Terhorst: Daraus folgend sehe ich sie nicht mehr als ausgelagerte IT-Funktion – es sei denn, wenn es darum geht, Basistechnologien oder Infrastrukturen zu betreiben – sondern ich sehe sie in Zukunft als essenziellen Teil des Geschäfts oder sogar als Rückgrat des Geschäfts. Vorhin wurde das Thema Datenzentrierung genannt. Daten liegen heutzutage gemeinhin digital und nicht mehr analog vor. Es gibt noch genug Informationen, insbesondere, wenn es um Assets geht, die noch analog vorliegen, aber man versucht, das immer stärker zu digitalisieren. Da wird es zu einer stärkeren Zusammenarbeit kommen müssen, damit man sich weiter nach vorne entwickelt. Ein wichtiger Teil kommt in der Energieversorgung aus der sogenannten Konvergenz von IT und OT, Informationstechnologie und operationeller Technologie. Das heißt, die Steuerung von Energiesystemen war früher sehr stark voneinander getrennt, heutzutage beruhen sie immer stärker auf gemeinsamer technologischer Basis und das konvergiert miteinander. Um diese Daten erheben und verwenden zu können, ist es notwendig, dass diese Systeme miteinander kommunizieren. Deswegen brauchen wir in der Zukunft eine Informationstechnologie, die in der Mitte steht und einen Datenhub im Zentrum bereitstellt, aus dem sich die verschiedenen Bereiche des Unternehmens bedienen können. Das heißt, aus meiner Sicht spielt die Informationstechnologie in der Zukunft eine sehr zentrale Rolle. Wie es früher ein Gebäude war, das man gemeinsam betreten hat, wird in Zukunft die Informationstechnologie ein gemeinsamer Kern sein. Wie sieht du das, Marcus?
Marcus Warnke: Ich würde es praktisch machen: Wir sprechen alle von Smart Energy und Smart Markets in der Zukunft. Wir reden im Moment richtigerweise von einem Umbau unseres Energiesystems hin in Richtung erneuerbare Energien. Erneuerbare Energien heißt immer auch volatile Erzeugung, das heißt, was zur Verfügung steht, geht rauf und runter. Gleichzeitig muss auf der andere Seite der Verbrauch dem angepasst werden, auch Demand-Side-Management genannt. Und diese Dinge funktionieren nur dann praktisch, wenn die Informationen „Was wird wo erzeugt und was wird wo verbraucht?“ einerseits situativ zur Verfügung stehen – da sind wir bei der Netzleittechnik – und andererseits in den Zeitreihen zur Verfügung stehen, damit man Prognosen machen kann „Was wird wie wann gebraucht?“, denn das braucht man für die Preisbildung hinterher. Da kommen die Dinge heute zusammen. Je mehr wir in Richtung erneuerbare Energie und volatile Erzeugung gehen, desto wichtiger wird das. Und damit ändern sich die Zusammenhänge auf den Märkten und die Wertschöpfungsketten auf den Märkten. Die Fähigkeit, hier Ausgleiche zu machen und Netzdienlichkeiten anzubieten, wird zukünftig ein großes Geschäftsmodell sein. Und das funktioniert nur, wenn ich die Daten habe, die aus der operationalen Technologie, aus der Netzbewirtschaftung, kommen.
Olaf Terhorst: Plus die Kundendaten – die darf man nicht vergessen. Du hattest zu Anfang von dem Thema Customer Journey gesprochen: Wie nutzt der Kunde diese Energie? Das sieht der Energiedienstleister heutzutage an der Verbrauchskurve, aber er weiß nur ungefähr, wo er es wirklich verbraucht, also durch welche Maschinen oder Geräte der Strom verbraucht wird. Die Materialien oder die Geräte zu Hause werden immer verbrauchsintensiver und ausgereifter. Ich bekomme morgen eine Waschmaschine geliefert, die kann ich ans Internet anschließen und damit steuern kann. Geräte kommunizieren mit einem und liefern Daten. Und das sind interessante Daten, die dabei helfen können, um die Verbrauchskurven in eine Linienart hinein zu bewegen…
Marcus Warnke: …damit die Großkraftwerke durchlaufen konnten.
Olaf Terhorst: Genau. Das hat früher nicht wirklich funktioniert. Und die neuen Technologien bieten eine Möglichkeit, da einzugreifen, indem man auf überall vorhandene Daten zugreift und versucht, diese nutzbar zu machen. Das geht nicht ohne Informationstechnologie. Es wird eine ganze Menge KI, künstliche Intelligenz brauchen, um Muster zu erkennen und dementsprechend reagieren zu können.
Marcus Warnke: Und das führt – jetzt spanne ich noch einmal den Bogen zur Rolle der IT – zu einem geänderten Verständnis von Business, das heißt Fachbereichen und IT in Bezug auf den Kunden. Früher hat das Business gesagt „Wir wissen, wie der Kunde funktioniert, wie die Verträge sind, und das verkaufen wir dem.“ Und die IT war der Dienstleister, der das intern ermöglicht hat. Heute verändert sich dies dahingehend, dass sich beide nebeneinander hinstellen, zum Kunden blicken, und sagen „Was können wir gemeinsam dafür tun, dass wir Services und Leistungen anbieten, Geschäftsmodelle anbieten, unsere Prozesse optimieren, damit das für den Kunden attraktiver wird und wir in einem komplexeren Marktgeschehen zukünftig gutes Geld verdienen können?“ Das ist eine integrierte Rolle, die beide Seiten – man sieht es bereits bei einigen Versorgern – derzeit weiter entwickeln.
Redaktion: Das, was du jetzt am Schluss betont hast, lässt sich sicher auch allgemein auf andere Unternehmen übertragen. Aber was für Handlungsempfehlungen würdet ihr konkret für Energieversorger geben? Was müssen diese machen, um sich für die Zukunft bereit zu machen? Wo sollen sie ansetzen?
Marcus Warnke: Ich glaube, da muss man genauer hinschauen: Was heißt Energieversorger? Wir bewegen uns in der Skalenwelt von ganz, ganz, ganz kleinen Stadtwerken mit ein paar tausend Kunden und Zellpunkten bis zu riesigen Versorgern. Es entsteht z. B. gerade ein besonders großer Versorger durch den Zusammenschluss von e.on und Innogy. Daher muss man bei der Antwort darauf achten, über wen man spricht. Wenn man über die kleinen und mittleren Stadtwerke und Versorger spricht, wird es für diese eine Herausforderung sein, sich so zu positionieren, dass sie in Bezug auf die IT die Entscheidung treffen können „Wo unterscheiden wir uns oder wodurch können wir uns vom Markt unterscheiden, damit wir mit unserer regionalen Ausrichtung attraktiv für unsere Kunden sind? Was sind unsere spezielle Bedingungen vor Ort, wo die IT einen Unterschied machen kann? Und was von diesen sehr komplexen Herausforderungen, die wir vorhin genannt haben, können und wollen wir zukünftig selbst bewältigen und welche lagern wir aus an Dienstleister, die das entsprechend skalieren können?“ Das ist für sie momentan die große strategische Frage. Und davon abgeleitet sind die Anforderungen an das, was die IT können muss und was die Mitarbeiter können müssen. Olaf, du kannst vielleicht noch einmal zu den ganz großen Playern etwas sagen.
Olaf Terhorst: Ich würde sagen, dass – und das ist vielleicht, wenn man auf die ganz Großen schaut, doch eher allgemein gehalten – es nur vorwärts gehen wird, wenn Business und IT gemeinsam arbeiten, und das gilt aus meiner Sicht für groß und klein. Es ist meiner Meinung nach wichtig, zu verstehen, dass Digitalisierung kein Projekt ist, sondern etwas ist, was man konzertiert langfristig angehen muss. Das ist ein Wandel in der Art und Weise, wie man arbeitet und wie die Gesellschaft funktioniert. Dann halte ich es für sehr wichtig – das schließt an das an, was Marcus gerade gesagt hat – sich darauf zu fokussieren „Was muss ich im Business können, um geschäftlich erfolgreich zu sein?“, und daraufhin anzuschauen „Was brauche ich da für eine Informationstechnologie?“ Hier können weder Informationstechnologie noch das Business alleine eine Lösung finden, dies muss im Dialog erarbeitet werden. Und dann kommt es, das merken wir bereits, zu einem sehr harten Wettbewerb um die Mitarbeiter, was ich als ‘Battle for Competencies’ bezeichnen würde. Der Fachkräftemangel ist eklatant. Da gilt es, zu reagieren. Ich denke, dass die Veränderung der Art und Weise, wie man in Zukunft zusammenarbeiten soll oder wird, durch die VUCA Welt der Energieversorger zu einer Veränderung führen wird, auf die sich alle einstellen müssen. Das möchte ich mit dem Schlagwort Leadership on all Levels umschreiben. Das heißt, wir müssen in Fachbereichen wie der IT dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter befähigt werden, Führungsaufgaben zu übernehmen statt in einer strengen Hierarchie zu arbeiten, ansonsten wird das Ganze viel zu langsam. Ein Thema, das mir aus IT-Sicht sehr stark am Herzen liegt: Vor einigen Jahren ist die sogenannte Two-Speed IT durch die Welt gerollt, die besagte „Wir brauchen eine hochsichere, langsame IT, und eine schnelle, agile für die vielen verschiedenen modernen, hippen Fähigkeiten.“ Das ist meiner Meinung nach ein Irrweg. Ich bin dafür, dass man sich darauf konzentrieren sollte, sowohl schnell als auch sicherer zu sein. Amazone und Google machen es vor und zeigen, dass es funktioniert eine One-Speed IT aufzubauen, die hochsicher und hochskalierbar, aber trotzdem sehr agil ist. Ich denke, da geht der Weg hin.
Marcus Warnke: Was du sagst, lässt sich meiner Ansicht nach als Kulturwandel in den Organisationen formulieren. Diese müssen lernen, anders zu arbeiten. Das hat mit diesem Battle for Competencies und mit den Köpfen zu tun. Die Leute in den nachwachsenden Generationen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, sind es gewohnt anders zu arbeiten, und das erwarten sie auch von einem attraktiven Arbeitgeber. Das ist die eine Seite. Anders kommt man mit diesen schnellen Veränderungen nicht mehr klar. Man muss lernen, Dinge zügiger auf den Markt zu bringen, auszuprobieren, wieder zu verwerfen, etwas Neues aufzuprobieren. Das ist ein anderes Mindset, eine andere Kultur der Zusammenarbeit. Du fragtest nach den Empfehlungen: Die Empfehlung ist, diese strategischen Komponente und dieses „Wie organisieren sich IT und Business?“ mit dem Thema Kulturwandel zusammenzubringen. Das sind Themen, die zusammengehören, wenn man über digitale Transformation spricht.
Olaf Terhorst: Genau, das ist ein gutes Stichwort. Ich beobachte seit 15 Jahren die Umbrüche in der Energieversorgung in den IT-Organisationen. Dort haben sehr viele Wandel stattgefunden. Bei diversen Wandlungen hat man teilweise nicht alle Mitarbeiter mitgenommen. Es liegt mir am Herzen, dass die Mitarbeiter, die Menschen in diesem System mitgenommen werden. Es gilt sowohl den Kunden mitzunehmen, wenn ich als Unternehmen meine Services ändere, damit er weiß, was ich ihm morgen anbieten möchte, als auch die Mitarbeiter im Unternehmen mitzunehmen, damit das Unternehmen morgen erfolgreich ist und Mitarbeiter bleiben und nicht innerlich kündigen. Denn der Wandel, der den Energieversorgern bevorsteht, wird eklatant sein. Für den einen mehr, für den anderen weniger, aber es ist ein starker Wandel. Und diese Komponente, also die kulturellen Art und Weise, wie man zusammenarbeiten möchte, führt zu dem dringenden Appell bzw. der Handlungsempfehlung, bei allen Änderungen die man vorhat, die Mitarbeiter mitzunehmen. Nur so kann man Erfolg haben und nur so werden diese Änderungen wirksam.
Marcus Warnke: Dem kann ich nur zustimmen.
Redaktion: Danke für die Erläuterung. Es scheint wichtig zu sein, dass sich Energieversorger sofort radikal umstellt. Ihr habt mehrfach betont, dass das ein dringender Appell ist.
Marcus Warnke: Ja, aber „sofort“ und „radikal“ macht vielen ein bisschen Angst. Aber es ist ein ernsthaftes Thema und ich würde Energieversorgern, die sich dem nicht stellen, keine gute Prognose für die Zukunft geben. Das heißt, egal wie sie heute aufgestellt sind, sie müssen sich diesen Fragen stellen und ihre eigenen Antworten darauf finden. Und ja, das Zeitfenster ist nicht ewig offen.
Redaktion: Das heißt, man kann sagen, dass das Fachbuch „Realisierung Utilities 4.0“ genau zum richtigen Zeitpunkt herauskommt. Warum sollte man es lesen? Könnt ihr dies einmal zusammenfassen?
Marcus Warnke: Es ist im Moment das aktuellste und umfassendste Kompendium, das es auf dem Markt gibt und das aufzeigt, worauf es in der Realisierung ankommt. Wir sind nicht mehr in der Theorie, wir sind in der Praxis. Es gibt zu jedem Thema viele Anregungen, wie man Dinge in der Praxis umsetzen kann.
Olaf Terhorst: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich könnte noch ergänzen, wem ich das Ganze empfehlen würde: Das sind alle Menschen, die in der Energieversorgung unterwegs sind. Insbesondere Entscheidungsträger finden meiner Meinung nach sehr viele interessante Diskussionspunkte oder Reibungspunkte, durch die sie sich weiterentwickeln können. Ihnen kann ich das Buch nur wärmstens ans Herz legen und empfehlen. Ich habe bei der Lektüre sehr viel Bewegung in mir gespürt, teils Widerspruch, teils frohe Zustimmung. Und das ist wichtig bei so einem Buch: Dass man sich daran reiben kann, dass klare Standpunkte darin vertreten sind, und das starke Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden, aus denen man für sich etwas mitnehmen kann.
Redaktion: Dann bleibt mir nur noch abschließend zu sagen, dass das Buch seit letzter Woche als E-Book verfügbar ist und Ende des Monats in gedruckter Form in den Handel kommen wird. Schauen Sie direkt beim Springer Verlag oder im Handel, das Buch ist überall erhältlich und freut sich, von Ihnen gelesen zu werden. Vielen Dank Olaf, vielen Dank Marcus.
Das Fachbuch “Realisierung Utilities 4.0” ist hier erhältlich.