Modernisierung von Fachverfahren: Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Modernisierung von Fachverfahren in der öffentlichen Verwaltung ist unverzichtbar, um die Anforderungen der digitalen Transformation erfolgreich zu bewältigen. Sowohl die zunehmende Digitalisierung, der demografische Wandel, als auch die Notwendigkeit für neue Betriebsmodelle zur Entlastung von Fachressourcen, erfordern es, veraltete Verfahren zu überdenken und neu zu gestalten. Hierbei geht es um mehr als nur den Austausch alter IT-Systeme. Durch gesteigerte Anforderungen an den Betrieb von Fachverfahren und die flexible Abbildung von Verwaltungsprozessen, steigt die Komplexität des Modernisierungsprozesses und zieht tiefgreifende organisatorische und kulturelle Veränderungen nach sich.

Im Rahmen des “Innovationsforum Berliner Verwaltung” am 18.09.2024 diskutierten Sebastian Schmutzler, Syncwork AG und Marco Lawrenz, mgm consulting partners über die Erfahrungen aus erfolgreichen Projekten in der Berliner Landesverwaltung zur Modernisierung von Fachverfahren. Ausgehend von der Anforderungserhebung, Weiterentwicklung und Integration und von Fachverfahren wurden die Faktoren eines erfolgreichen Vorgehens erläutert.

Die Notwendigkeit der Modernisierung

Mehrere Faktoren treiben die Modernisierung der Fachverfahren in der Verwaltung voran. Synergien für die Finanzierung von IT-Systemen stellen bei steigenden Kosten einen Haupttreiber dar. Der demografische Wandel und der damit verbundene Fachkräftemangel stellen die Verwaltung vor das Problem, Routineaufgaben zunehmend zu automatisieren. Gleichzeitig wachsen die Aufgaben der Verwaltung, ohne dass parallel mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Alte Verfahren und Infrastrukturen, oft in der zweiten oder dritten Modernisierungswelle, können den Anforderungen der wachsenden Komplexität nicht mehr gerecht werden.

Digitalisierung als Treiber der Modernisierung

Die Digitalisierung beeinflusst die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger maßgeblich, die einen unkomplizierten, schnellen und digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen bevorzugen. Gleichzeitig wird die Cybersicherheit immer wichtiger, die auch die Entscheidung für neue Betriebsmodelle und den Bedarf von Expertenwissen nach sich ziehen. Veraltete IT-Infrastrukturen stellen hierbei ein erhebliches Risiko dar, da sie oft nicht mehr den modernen Sicherheitsstandards entsprechen. Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Komplexität gesetzlicher Vorgaben, die es erfordern, dass Verfahren flexibler und anpassungsfähiger gestaltet werden.

Zusammenarbeit von Verwaltung und externen Berater:innen

Bei der Modernisierung von Fachverfahren spielt die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und externen Berater:innen eine zentrale Rolle. Die Expertise der Verwaltungsmitarbeitenden liegt in der Kenntnis der fachlichen Anforderungen, während eine externe Beratung methodisches Know-how zur Umsetzung moderner IT-Lösungen einbringt. Dabei ist es entscheidend, Erwartungen aller Beteiligten zu klären, um durch Missverständnisse den Projekterfolg nicht zu gefährden. Ein klar definiertes Rollenverständnis und regelmäßige Kommunikation helfen, solche Stolpersteine zu vermeiden. Spezialisierte Berater für öffentliche Verwaltungen bieten ein umfassendes Leistungsspektrum, das bereits mit der Unterstützung bei der Genehmigung finanzieller Ressourcen, der Beratung bei der Haushaltsaufstellung und der nachträglichen Formulierung von Ausschreibungen beginnt.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die Beteiligung der Endnutzer, sowohl die der Verwaltungsmitarbeitenden als auch die der Bürger:innen, an der Gestaltung der neuen Verfahren. Die externen Berater:innen helfen, die Anforderungen der Endnutzer zu erheben und in technische Lösungen zu übersetzen, ohne die fachlichen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren.

Projektmanagement in der Modernisierung

Das Projektmanagement spielt bei der Modernisierung eine entscheidende Rolle. Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel das Projekthandbuch Berlin, erfordern eine Adaption an die Projekt-Realität und den Wunsch nach agiler Zusammenarbeit. Viele Verwaltungen wünschen sich Agilität, unterschätzen jedoch oft den damit verbundenen Aufwand. Ein flexiblerer Ansatz, der zum Beispiel einen Proxy-Product-Owner einführt, kann helfen, die agilen Prinzipien an die spezifischen Rahmenbedingungen der Verwaltung anzupassen.

Denken in Plattformen

Die notwendige Zusammenlegung von kleinen, verteilten Fachverfahren bedarf eines völlig neuen Denkansatzes bei der Modernisierung. Die Schaffung von Plattformen zur Erhöhung der Effizienz, Simplifizierung des Betriebsmodells und der Wiederverwendung erfordern eine Transformation des Denkmodells, das durch externe Beratung erfolgreich etabliert werden kann.

Praktische Beispiele und Learnings

In der Praxis zeigt sich, dass ein iterativer Ansatz oft erfolgreich ist. Alte Prozesse müssen kontinuierlich hinterfragt und gegebenenfalls durch effizientere Lösungen ersetzt werden. Tools wie JIRA oder Confluence helfen dabei, den Anforderungsprozess zu professionalisieren und Projekte transparent zu gestalten. Eine detaillierte Anforderungsdokumentation, die in der Hand der auftraggebenden Verwaltung liegt und kontinuierlich aktualisiert wird, ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und den Fortschritt für alle Beteiligten sichtbar zu machen.

Eine weitere Erkenntnis aus der Praxis ist die genaue Betrachtung von Alt-Verfahren. Oft bietet sich die Möglichkeit, mehrere kleine Verfahren zu konsolidieren und in einer Plattform zusammenzufassen, was die Effizienz erhöht und die Verwaltung entlastet.

Modernisierung als Schlüssel zur zukunftsfähigen Verwaltung

Die Modernisierung von Fachverfahren ist kein Selbstzweck, sondern eine dringende Notwendigkeit, um den steigenden Anforderungen an die Verwaltung gerecht zu werden. Eine klare politische Unterstützung, ein klares Rollenverständnis und der Einsatz moderner Werkzeuge sind dabei entscheidende Erfolgsfaktoren. Nur so lässt sich die Verwaltung nachhaltig digitalisieren und gleichzeitig sicherstellen, dass sie den Erwartungen aller Anforderungsgruppen und insbesondere der Bürger:innen gerecht wird. Die Herausforderung besteht darin, den Spagat zwischen technischer Modernisierung und fachlichen Anforderungen hin zu Plattformen zu meistern, ohne dabei die Komplexität zu unterschätzen.