Zuletzt aktualisiert am: 9. Oktober 2025
Willkommen zum ersten Teil unserer Serie „IT-Strategie trifft Business-Ziele“. In vier aufeinander aufbauenden Artikeln zeigen wir, wie echtes Miteinander von Business, Organisation & IT in Unternehmen funktionieren kann – und wie Sie davon profitieren.
Seit Jahrzehnten gilt „Business-IT-Alignment“ als Zielbild moderner IT-Strategien. Die Idee dahinter: Die IT soll sich eng an den Bedürfnissen des Geschäfts ausrichten, um einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Was auf dem Papier sinnvoll klingt, scheitert in der Praxis jedoch häufig an strukturellen Trennlinien, kulturellen Unterschieden und strategischer Kurzsichtigkeit.
Das Bild vom Alignment suggeriert: Hier das Business, dort die IT – zwei getrennte Welten, die in Einklang zu bringen sind. Dabei ist diese Zweiteilung längst überholt. In einer Zeit, in der nahezu jedes Geschäftsmodell auf digitalen Technologien basiert, reicht es nicht mehr aus, IT und Business nur aufeinander abzustimmen. Die IT ist nicht mehr „Unterstützer“ – sie ist Mitgestalter, Enabler und in vielen Fällen sogar Träger des Geschäftsmodells selbst.
CIOs und ihre Kolleg:innen im Business stehen daher vor einer neuen Aufgabe: Es geht nicht mehr um Ausrichtung, sondern um gemeinsame Verantwortung. Um das konsequente Zusammendenken von Geschäftsstrategie, Technologiearchitektur und Wertschöpfungslogik. Und um ein Organisationsmodell, das diesen Anspruch auch in der Praxis lebbar macht.
Diese neue Realität erfordert ein radikales Umdenken – weg vom reaktiven Dienstleisterverständnis, hin zu echter Partnerschaft auf Augenhöhe. In diesem Artikel zeigen wir, wie Unternehmen diesen Wandel meistern können – und warum der Begriff „Business-IT-Co-Creation“ heute deutlich besser beschreibt, worauf es wirklich ankommt.
Vom Silodenken zur strategischen Co-Creation
In vielen Unternehmen ist die Beziehung zwischen IT und Fachbereichen historisch gewachsen – und oft von funktionaler Trennung geprägt. Während das Business strategische Ziele definiert, wird die IT zur Umsetzung beauftragt. Diese Arbeitsteilung folgt einem Denkmodell, das auf Effizienz und Arbeitsteilung setzt – und in stabilen Märkten durchaus sinnvoll war.
Doch dieses Modell hat heute ausgedient. Die digitale Transformation hat Geschäftsmodelle, Kundenerwartungen und Wettbewerbslandschaften tiefgreifend verändert. Innovation entsteht nicht mehr sequenziell, sondern simultan. Produkte, Services und Prozesse sind digital durchdrungen – und damit untrennbar mit IT verknüpft. In vielen Fällen ist die technologische Infrastruktur selbst der Differenzierungsfaktor im Wettbewerb.
Die Folge: IT und Business lassen sich nicht mehr sinnvoll getrennt steuern. Wer weiterhin in Silos denkt, riskiert Ineffizienz, Missverständnisse und strategische Fehlinvestitionen. Die berühmte „Übersetzungsleistung“ zwischen Fachbereich und IT verursacht nicht nur Reibungsverluste – sie verhindert Geschwindigkeit und verhindert Verantwortung.
Deshalb braucht es ein neues Paradigma: Business-IT-Co-Creation. Hier arbeiten gemischte Teams aus Business-Expert:innen, IT-Spezialist:innen, Data Analysts und UX-Designer:innen gemeinsam an Lösungen – von der Idee bis zum Betrieb. Die Verantwortung liegt nicht mehr bei einer einzelnen Partei, sondern wird geteilt. Entscheidungen werden dort getroffen, wo die Kompetenz sitzt – unabhängig vom Organigramm.
Diese Form der Zusammenarbeit ist kein Selbstzweck. Sie ermöglicht:
- Höhere Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Services
- Bessere Passung zwischen Business-Bedarf und technischer Lösung
- Mehr Innovationskraft durch interdisziplinäre Perspektiven
- Höhere Identifikation mit dem Ergebnis
Der Weg dorthin erfordert jedoch Mut zur Veränderung: Klassische Rollenbilder müssen aufgebrochen, Steuerungsprozesse angepasst und Führungsverständnisse neu definiert werden. Nur so entsteht der Raum, in dem IT und Business wirklich gemeinsam gestalten können – nicht als Dienstleister und Kunde, sondern als gleichberechtigte Co-Akteure unternehmerischer Wertschöpfung.
Neue Begriffe, neue Denke: Alignment, Integration, Co-Creation
Wer über die Zukunft der Zusammenarbeit von IT und Business spricht, kommt an einem kritischen Punkt nicht vorbei: den Begriffen selbst. Denn Sprache formt Denken – und Begriffe wie „Alignment“, „Integration“ oder „Co-Creation“ transportieren unterschiedliche Rollenbilder, Machtverhältnisse und Handlungsspielräume.
Business-IT-Alignment: Die klassische Idee
„Alignment“ suggeriert, dass zwei Einheiten sich abstimmen müssen, um in dieselbe Richtung zu laufen. In der Praxis bedeutet das häufig: Die IT „richtet sich aus“ an den Bedürfnissen des Business – mit einer impliziten Hierarchie, in der die IT ausführend agiert. Dieses Modell kann sinnvoll sein, wenn es um klar definierte Anforderungen und stabile Umfelder geht. Doch in dynamischen, komplexen Märkten ist es zu langsam, zu reaktiv und zu einseitig.
Business-IT-Integration: Der nächste Schritt
Der Begriff „Integration“ hebt die Trennung auf. IT wird nicht mehr nur als Unterstützungsfunktion verstanden, sondern als Teil des Geschäftsmodells. Technologie und Business-Funktionen werden organisatorisch, strategisch und prozessual stärker miteinander verflochten. Integration ist ein Fortschritt – aber sie bleibt oft strukturell, nicht kulturell: Zwar arbeitet man enger zusammen, aber häufig noch nach alter Logik.
Business-IT-Co-Creation: Der Paradigmenwechsel
„Co-Creation“ geht weiter. Hier geht es nicht um Abstimmung oder Eingliederung, sondern um gemeinsames Gestalten auf Augenhöhe. Business- und IT-Expert:innen bringen ihre Perspektiven von Anfang an ein, arbeiten iterativ zusammen und tragen gemeinsam Verantwortung für das Ergebnis. Die Zusammenarbeit ist nicht linear (zuerst Anforderungen, dann Umsetzung), sondern zirkulär und adaptiv – getrieben von Kundenbedürfnissen, Daten und Feedbackschleifen.
Co-Creation ist nicht nur ein methodisches Prinzip (z. B. in agilen Teams), sondern Ausdruck einer neuen strategischen Haltung: Dass Innovation nur dort entsteht, wo Kompetenzen wirklich kombiniert – und nicht nur koordiniert – werden.
Weitere Begriffe im Umfeld
- Business-IT-Fusion / Konvergenz: noch radikalere Denkweise – die Unterscheidung zwischen Business- und IT-Seite wird komplett obsolet. Beispiele: Digitale Produkte (z. B. Plattformgeschäftsmodelle), bei denen die Technologie selbst das Geschäftsmodell ist.
- BizDevOps: Erweiterung von DevOps um Business-Verantwortung – als organisationales Modell für kontinuierliche Co-Creation.
- Digital Twin of the Organization (DTO): Modellhafte digitale Repräsentation aller Geschäfts- und IT-Komponenten, inklusive Entscheidungslogiken – als Brücke zwischen Strategie, Betrieb und Technologie.
Fazit
Je nach Reifegrad und Geschäftsmodell können unterschiedliche Begriffe sinnvoll sein. Doch wer heute echte digitale Wertschöpfung anstrebt, braucht mehr als nur „Alignment“. Business-IT-Co-Creation ist der Begriff, der nicht nur Zusammenarbeit beschreibt – sondern Verantwortung, Geschwindigkeit und strategische Wirksamkeit verbindet.
Im zweiten Teil der Serie zeigen wir Erfolgsmodelle aus der Praxis und beleuchten die strategischen Leitplanken für CIOs.