IT-Strategie trifft Business-Ziele Teil 2: Erfolgsmodell Business-IT-Co-Creation und strategische Leitplanken für CIOs

Zuletzt aktualisiert am: 16. Oktober 2025

Willkommen zum zweiten Teil unserer Serie „IT-Strategie trifft Business-Ziele“. In vier aufeinander aufbauenden Artikeln zeigen wir, wie echtes Miteinander von Business & IT in Unternehmen funktionieren kann – und wie Sie davon profitieren.

Im ersten Teil wurde die Wichtigkeit von Business-IT-Co-Creation im Arbeitsalltag thematisiert. Da die Trennung von IT und Business nicht mehr zeitgemäß ist, bedarf es innovativer, interdisziplinärer Zusammenarbeit, um den Workflow zu optimieren und zu beschleunigen. Für diese Zusammenarbeit sind ein neues Rollenverständnis und Anpassungen in Führung und Organisation notwendig.

Die Idee der Business-IT-Co-Creation ist keine Theorie aus Innovationslaboren – sie wird längst gelebt. Organisationen, die sich früh auf den Weg gemacht haben, ihre IT nicht nur zu modernisieren, sondern strukturell mit dem Business zu verschmelzen, profitieren heute von schnellerer Innovationskraft, höherer Kundenzentrierung und resilienteren Geschäftsmodellen.

Beispiele für Business-IT-Co-Creation

Drei prägnante Beispiele zeigen, wie Co-Creation konkret aussehen kann:

ING: Agilität als Operating Model

Die niederländische Bank ING hat ihr gesamtes Unternehmen – inklusive der IT – auf ein agiles Betriebsmodell umgestellt. In sogenannten „Squads“ arbeiten Business- und IT-Expert:innen gemeinsam an Produkten, Kundenservices oder Prozessen. Jede Einheit ist cross-funktional besetzt, verantwortet ein Ergebnisende-zu-Ende und kann unabhängig priorisieren.

Was ING anders macht:

  • Keine Trennung mehr zwischen „Fachseite“ und „IT“
  • Rollen wie „Customer Journey Expert“ und „IT Chapter Lead“ lösen klassische Silos auf
  • Klare Produktverantwortung statt Projektdenken

Ergebnis: Schnelle Release-Zyklen, höhere Marktanpassung, gestärkte Ownership im Team.

Bosch Digital: Co-Creation im Industriekonzern

Bosch hat mit „Bosch Digital“ eine Einheit geschaffen, die digitale Produkte und Plattformen für alle Geschäftsbereiche des Konzerns entwickelt – gemeinsam mit den Fachbereichen. Statt Anforderungen abzuarbeiten, gestalten die Teams gemeinsam digitale Services, z. B. im Bereich Smart Home, Automotive oder Industrial IoT.

Was Bosch anders macht:

  • Interdisziplinäre Produktteams mit klarer Business-Verantwortung
  • Fokus auf Plattformdenken und skalierbare Architektur
  • Kombination aus Engineering-Exzellenz und nutzerzentriertem Design

Ergebnis: Digitale Produkte entstehen dort, wo Kundenbedarf, Technologie und Businesslogik zusammentreffen – in einem Team.

Coca-Cola European Partners: Integration durch strategische IT-Fusion

Im Rahmen eines Mergers-of-Three hat Coca-Cola European Partners g die IT-Organisationen neu aufgestellt. Die Herausforderung: Eine gemeinsame IT-Strategie, die das neue Geschäftsmodell stützt und beschleunigt. Dabei wurden nicht nur Systeme integriert, sondern Co-Creation-Prinzipien eingeführt – etwa bei der Entwicklung eines neuen, gemeinsamen Data- und Analytics-Modells.

Was Coca-Cola European Partners anders gemacht hat:

  • Strategische IT-Fragen wurden früh mit Business-Zielen verzahnt
  • Interne Produktteams mit gemischten Kompetenzen aus Business und IT
  • Gemeinsame Roadmap-Entwicklung auf Basis von Business Capabilities mit Beteiligung aller Units

Ergebnis: Synergien wurden nicht nur identifiziert, sondern realisiert – durch geteilte Verantwortung von Anfang an.

Diese Beispiele zeigen: Co-Creation ist nicht an Unternehmensgröße oder Branche gebunden – sondern an Haltung, Struktur und Leadership. Es geht nicht um Methoden, sondern um das konsequente Auflösen überholter Grenzen.

Strategische Leitplanken für CIOs

Die Rolle des CIOs hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Vom Verwalter der Infrastruktur zum strategischen Business-Partner, vom Kostenfaktor zur Innovationsquelle. Doch die Realität in vielen Unternehmen zeigt: Die strukturellen Voraussetzungen, um diese Rolle wirklich auszufüllen, sind oft noch nicht gegeben. Co-Creation erfordert einen aktiven, mutigen CIO – der nicht nur reagiert, sondern gestaltet.

1. Vom „Service Provider“ zum „Business Architect“

In klassischen IT-Modellen agiert der CIO als interner Dienstleister: Anforderungen aufnehmen, Ressourcen zuteilen, Projekte steuern. Dieses Modell ist überholt. In der Co-Creation-Logik entwickelt der CIO gemeinsam mit dem Business digitale Produkte, Plattformen und Services – mit unternehmerischem Denken.

Leitfrage: Wie kann die IT zur aktiven Mitgestalterin des Geschäftsmodells werden?

2. Governance neu denken: Von Kontrolle zu Enablement

Effektive Steuerung ist nach wie vor essenziell – aber nicht durch zentralistische Kontrolle, sondern durch dezentrale Verantwortungsübernahme. Moderne IT-Governance definiert Leitplanken, nicht Prozesskäfige. Sie fördert Eigenverantwortung, schafft Orientierung durch Prinzipien und fokussiert auf Outcomes statt auf Aktivitäten.

Instrumente:

  • Prinzipienbasierte Governance Frameworks
  • Decision Rights Modelle
  • Lightweight Architecture Boards

Leitfrage: Wie viel Governance ist notwendig – und wie wenig ist genug?

3. Zielsysteme als Brücke: OKRs, KPIs & Co.

Eine der größten Herausforderungen in der Business-IT-Zusammenarbeit ist die fehlende gemeinsame Sprache. Unterschiedliche Erfolgsmetriken, Zeithorizonte und Logiken verhindern Verständnis und Wirksamkeit. Zielsysteme wie OKRs (Objectives & Key Results) können diese Lücke schließen – wenn sie strategisch synchronisiert und gemeinsam erarbeitet werden.

Praxisbeispiel:

  • Gemeinsame OKRs für Produktteams aus Business & IT
  • KPI-Bäume mit gemeinsamen Ownership-Modellen
  • Strategische Scorecards über Bereichsgrenzen hinweg

Leitfrage: Welche Ziele teilen Business und IT – und wie machen wir Fortschritt sichtbar?

4. Transformation als Führungsaufgabe – nicht als Projekt

Die Einführung von Co-Creation-Strukturen ist kein Change-Projekt, sondern eine strategische Transformation. Sie erfordert neue Rollen (z. B. Product Owner, Business Technology Partner), neue Führungskulturen (z. B. Vertrauen statt Kontrolle, Prinzipien statt Regeln) und neue Denkmuster (z.B. Aushandeln statt Vorgaben). Diese Veränderung lässt sich nicht delegieren – sie muss von der IT-Führung aktiv vorgelebt werden.

Leitfrage: Welche alten Muster müssen wir aktiv verlernen?

Ein CIO, der Co-Creation wirklich ermöglicht, braucht Mut zur Lücke, Offenheit für interdisziplinäre Arbeit – und die Fähigkeit, die IT nicht nur als Kostenstelle, sondern als Wertschöpfungseinheit zu denken. Genau darin liegt heute der strategische Unterschied.

Im dritten Teil unserer Serie brechen wir zu neuen Horizonten auf und werfen einen Blick auf die IT als Plattform und das Business als API.

Olaf Terhorst
Olaf Terhorst ist Partner bei mgm consulting partners und verfügt über mehr als 20 Jahre Beratungserfahrung im Bereich CIO Advisory. Er interessiert sich für ein breites Spektrum an Themen rund um Technologie, Führung und nachhaltige Unternehmensentwicklung. Sein Fokus liegt darauf, Organisationen dabei zu unterstützen, IT-Strategien erfolgreich in messbare Geschäftsergebnisse zu übersetzen.