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Artikelserie

“Kulturwandel als Herausforderung für Führungskräfte und Schlüssel einer erfolgreichen Digitalen Transformation in der Energiewirtschaft”

Pascale Ullmann fasst in dieser Artikelserie die Ergebnisse aus ihrer Masterarbeit “Leadership in the Digital Age – Challenges and opportunities for Companies in the Energy Sector” im Studiengang Wirtschaftswissenschaft der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, zusammen, die sie bei mgm consulting partners geschrieben hat.

 

 

Bis zur Liberalisierung 1998 war die Energiewirtschaft monopolistisch organisiert. Doch seit dem erleben Unternehmen der Energiewirtschaft tiefgreifende Veränderungen, die eine Reaktion erfordern. Die klassischen Geschäftsmodelle der Energieversorger funktionieren nicht mehr, neue Player drängen in den Markt, die statt der anonymen Masse aus Energiekonsumenten ohne Gesicht die Rolle jedes einzelnen Kunden erkennen und auf ihn zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen anbieten. Die Entwicklung hin vom Energielieferanten zum Energiedienstleister, der dezentrale Erzeugungsstrukturen aufbauen und mit zentralen Systemen verbinden muss, nicht nur Commodity-Produkte anbietet, sondern die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt und neue Geschäftsmodelle entwickeln muss, um dauerhaft erfolgreich zu sein, erzeugt Druck in der noch eher starren Energiewirtschaftsbranche. In allen Veränderungen ist die Digitalisierung wesentlicher Treiber oder Ursache.

Die Digitalisierung in den Unternehmen des Energiesektors wie Stadtwerken, Energieversorgern und Netzbetreiber nicht nur durch digitale Technologien zu verankern, sondern auch in die Organisation zu tragen, wird für Führungskräfte eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre. Doch wie kann so ein fundamentaler Wandel organisatorisch verankert werden? Kulturwandel ist hier das Stichwort. Der „Cultural Change“ in Unternehmen der Energiewirtschaft darf nicht mehr verdrängt werden, meint der IT-Leiter eines Energiekonzerns, der in einer qualitativen Umfrage zu Leadership in the Digital Age* befragt wurde. Ein grundlegend neues Verständnis von Führungskultur und der Beziehungskultur der Organisationsmitglieder ist erforderlich, um den Boden für eine erfolgreiche Digitalisierung in Energiewirtschaftsunternehmen zu bereiten. Ein gelebter Kulturwandel ist das wichtigste Fundament, um MitarbeiterInnen vorzubereiten und auf den gemeinsamen Weg mitzunehmen.

Denn Veränderungen der Arbeitsabläufe können in vielen Fällen häufig zu Widerständen und mangelnder Motivation unter einzelnen Mitarbeitenden  oder gar kollektiv zu einer mangelnden Motivation der gesamten Belegschaft führen.

Warum ein durch die Digitale Transformation ausgelöster Kulturwandel in der Energiewirtschaft so schwer zu verankern ist

Zwischen Widerstand der MitarbeiterInnen oder aber der erwünschten Akzeptanz liegt viel Freiraum, den es durch die Führungskraft auszugestalten gilt. Hier ist Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen gefragt. Eine Führungskraft sollte die Bedenken der Mitarbeitenden dringend anhören und ernst nehmen, um MitarbeiterInnen nicht zu überfordern und in der Konsequenz gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Wesentlicher Bestandteil eines Kulturwandels ist die Sensibilisierung des Mitarbeitenden dafür, digitale Denkweisen anzunehmen und in den beruflichen und privaten Alltag zu integrieren. Gerade in Energiewirtschaftsunternehmen wird traditionell häufig noch eine Kultur gelebt, die den Bedarf Prozesse zu digitalisieren verdrängt und in der MitarbeiterInnen lieber mit dem Zettel in der Hand statt mit einer App über das Handy oder am PC bestimmte Anträge ausfüllen, so die IT-Leiterin eines großen deutschen Energiekonzerns.
Trotz der vielfältigen Vorteile, die sich durch flexible Strukturen ergeben – zum Einen in der Steigerung der Arbeits- bzw. Prozesseffizienz, zum Anderen in persönlichen Freiheiten wie flexibleren Arbeitszeiten oder Home Office – gäbe es immer noch viele MitarbeiterInnen, die sich scheuen mehr Verantwortung zu übernehmen und eine Vorgesetzte oder einen Vorgesetzten bevorzugen, der klare Arbeitsanweisungen gibt, betonte der IT-Abteilungsleiter eines Stadtwerks im Interview. Zudem haben viele Unternehmen aus dem Energiesektor in der Vergangenheit eine Kultur gelebt, in der bestimmte Dinge nur funktionieren, wenn sie von Führungskräften konkret angeschoben, also per Dekret angeordnet werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Teil des Kulturwandels auch eine gelebte Fehler- und Lernkultur sein sollte. Durch eine von Führungskräften gelebte, positive Fehlerkultur werden MitarbeiterInnen ermutigt, Entscheidungen eigenständig und proaktiv zu treffen und so auch aus falsch getroffenen Entscheidungen zu lernen.

„Wenn ein Mitarbeiter Angst davor hat, Verantwortung zu übernehmen und in seinem Bereich Entscheidungen zu treffen, dann muss man als Führungskraft den Mitarbeiter dahin führen. Und wenn dieser dann lernt, dass es auch bei schlechten Entscheidungen keine negativen Konsequenzen für ihn gibt, dann traut er sich vielleicht das nächste Mal auch Entscheidungen alleine zu treffen.“

Zitat IT-Leiterin eines Energieversorgers

Das vermehrte Abgeben von Verantwortlichkeiten durch die Führungskraft an MitarbeiterInnen ist besonders im Digitalen Zeitalter notwendig. Durch die Vielzahl komplexer Technologien die zum Einsatz kommen, sind die Führungskräfte oftmals nicht mehr in der Lage, in allen notwendigen Bereichen eine ausreichende technische Kompetenz zu erlangen, sondern sind darauf angewiesen, diese an ExpertInnen in ihren Teams abzugeben, welche es bestmöglich zu fördern gilt.
Fakt ist: der kulturelle und digitale Wandel muss von der Führungskraft begleitet werden. Aber der Erfolg eines Kulturwandels als Fundament für die Digitalisierung hängt vom Engagement und der Akzeptanz der betroffenen Mitarbeitenden ab, so der CIO eines Energieversorgers. Im Zuge der Digitalen Transformation müssen Prozesse nicht nur digitalisiert und optimiert werden, sondern vielmehr auch in den Köpfen der Mitarbeitenden verankert werden. Das bedeutet, für einen erfolgreichen Kulturwandel müssen sich alle Beteiligten auch über die vorherrschende Unternehmenskultur bewusst sein, um diese verinnerlichen zu können.

Warum die Energiewirtschaft eine agile Führung benötigt

Angesichts der zunehmenden Komplexität digitaler Technologien kann ein verstärktes Bemühen um die Einführung von Agilitätskompetenzen auf Führungs- und Mitarbeitendenseite hilfreich sein, um die Arbeitseffizienz in neuen und sich verändernden Situationen zu steigern und die Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Mitarbeitenden zu fördern.

„Gerade in einem digitalen Kontext ist agiles Arbeiten notwendig. Und deshalb brauchen wir auch eine andere Art der Führung.“

Zitat IT-Projektleiter eines Energieversorgers

Für Agile Arbeitsweisen benötigen Energieversorger, Stadtwerke und Netzbeteiber flexible Organisationsformen, die weniger hierarchische Strukturen aufweisen und durch mehr Teambeteiligung schnellere Reaktionen ermöglichen. Der Leiter einer Digitalisierungsabteilung eines Netzbetreibers beobachtet, dass klassische Strukturen mit mehreren Hierarchieebenen im Energiesektor an Bedeutung verlieren und gerade größere Unternehmen der Energiewirtschaft versuchen, zunehmend zentrale Abteilungen mit flachen Hierarchien aufzubauen. Der CIO eines großen Energieversorgers fügt zudem hinzu, dass man nicht nur versuchen sollte, mit weniger Hierarchien auszukommen, sondern auch kulturell die Mitarbeitenden dazu bewegen sollte mehr Verantwortung zu übernehmen.  Entsprechend geht die Entwicklung zunehmend Richtung Bottom-Up, wodurch Teams immer mehr an Bedeutung gewinnen, so die Führungskraft eines süddeutschen Stadtwerks.

 

Warum Führung auf Distanz ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Wandels ist

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung und dem Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien wächst auch der Bedarf, mobiles Arbeiten und Homeoffice – wie es zuletzt auch die Corona-Pandemie erforderlich machte – in der Unternehmenskultur zu verankern. Es zeigt, dass virtuelle Teamarbeit einen Kulturwandel erfordert, da sowohl technische wie auch personelle Rahmenbedingungen erfüllt werden müssen. Herausforderungen vor allem für Führungskräfte, wie ein Teamleiter eines Stadtwerkes im Interview betonte. In Konsequenz beudeutet dies, dass Führungkräfte auf neue Art und Weise mit den MitarbeiterInnen kommunizieren und interagieren müssen. Nach der Einschätzung eines Geschäftsführers von einem IT Dienstleisters kann ein Großteil der Führungskräfte in der Energiewirschaft sich nicht vorstellen, MitarbeiterInnen dauerhaft über eine räumliche Distanz zu führen. Diese ablehnende Haltung gegenüber Remote Leadership oder Führung aus der Ferne muss geändert werden, denn in Zeiten einer andauernden Pandemie und zunehmender Digitalisierung wird es voraussichtlich zur Normalität, dass nicht alle Mitarbeitenden dauerhaft an einem Ort arbeiten. Führungskräfte müssen verinnerlichen, dass Arbeit in Zukunft viel weniger von oben nach unten deligiert und über Kontrollmechanismen deren korrekte Ausführung sichergestellt werden kann.

„Es geht vielmehr darum, die Attraktivität der Arbeit und Performance jedes Mitarbeitenden zu steigern, indem man das Arbeitsleben viel mehr individualisiert. Wenn wir es schaffen, dass die Leute im Grunde genommen ihren Lebensstil, ihre Persönlichkeit, und ihre Werte bestmöglich ausleben können, fühlen sie sich am wohlsten.“

Aussage CIO eines Energiekonzerns

 

Fazit

Der Energiesektor unterliegt nicht nur den Herausforderungen der Branche mit neuen Wettbewerbern, neuen Geschäftsmodellen und Innovationen sondern auch den internen Herausforderungen einen Kulturwandel im Unternehmen voranzutreiben. Um als Energieversorungsunternehmen erfolgreich zu sein, sind bestimmte Maßnahmen notwendig, um eine Innovationskultur zu fördern und so den neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Um den starren und hierarchisch geprägten Ogansationsformen der Energiebranche von ‚früher‘ entgegenzuwirken, erfordert es Freiräume für MitarbeiterInnen, um Ideen und neue Innovationen zu entwickeln.  Ein offenes Mindset im Umgang mit Veränderungen und neuen Formen der Zusammenarbeit wie Agilität und Führung auf Distanz sind dabei wesentliche Voraussetzungen, die durch die Führungskraft implementiert und vorgelebt werden müssen.

 

 

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