Die zukunftsfähige IT-Strategie ist agil, so Olaf Terhorst. Warum tun sich viele Unternehmen so schwer damit, sich von einer klassischen IT-Strategie mit langen Planungszyklen hin zu einer agil entwickelten Strategie zu bewegen, obwohl doch “agil” mittlerweile als angesagtes Buzzword an jeder Stelle zu finden ist?

Wir sprechen im mgm Podcast mit Olaf Terhorst darüber, warum Unternehmen ihre IT-Strategie ändern sollten, welche Anforderungen es an den agilen Entwicklungsprozess der IT-Strategie gibt und welche die richtigen Schwerpunkte einer agilen IT-Strategie sind.

 

Interview

Carla Tusche: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des mgm Podcast. Heute ist Olaf Terhorst unser Gast, langjähriger Berater und Partner bei mgm consulting partners, mit dem ich über Thema agile IT-Strategie oder agile IT-Strategieentwicklung spreche. Olaf, du hast jahrelang Erfahrung im Bereich IT-Strategie, CIO Advisory und bist auch als Partner Teil des Managements. Erzähl uns doch mal ein bisschen was zu deinem Werdegang und was du bei mgm consulting partners machst und welche Schwerpunkte du hast.

Olaf Terhorst: Mein Name ist Olaf Terhorst, ich bin seit fast fünfzehn Jahren bei mgm consulting partners. Mein Schwerpunkt ist das Thema strategisches IT-Management oder CIO Advisory, das soll bedeuten, dass wir uns mit den Fragestellungen eines CIOs und einer IT-Organisation befassen und diese beraten. Wir sehen uns selbst als Managementberatung für den CIO und das umfasst ein sehr großes Spektrum von eben dem Thema IT-Strategie, über was wir heute miteinander reden wollen, bis runter zu Aufbau und Ablauforganisation, strategischen Konzepten in der Organisation, wie man sich optimaler aufstellen kann, wie man sourcen kann, wie man das Ganze steuern kann, Projektportfoliomanagement aufsetzt und so weiter und so weiter. Das ist eine sehr große Bandbreite, die wir da abdecken und seit fünfzehn Jahren hier machen. Davor war ich Geschäftsführer einer Beratung in Düsseldorf und davor war ich in Frankfurt, da habe ich meine ersten Schritte in Frankfurt gemacht als Berater in der IT vom Investmentbanking, eine sehr spannende Zeit.

Carla Tusche: Es ist ja so, dass sich unsere Geschäftswelt natürlich immer verändert, aber gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass sich doch rasante Entwicklungen ergeben können, die auf viele Bereiche im Unternehmen Auswirkungen haben. Es wird also alles immer schnelllebiger. Das heißt also auch, dass Unternehmensstrategien anpassungsfähiger werden müssen, somit auch die IT-Strategie. Warum glaubst du denn, dass die traditionelle IT-Strategieentwicklung heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist?

Olaf Terhorst: Ich denke, dass das Corona ein sehr plakatives Beispiel dafür ist, was sich gerade ändert. Traditionell ist eine Strategieentwicklung ein planungsbasierter Ansatz, das heißt, ich habe mir vorgenommen, alle zwei, drei Jahre mal einen sehr deduzierenden Ansatz zu fahren. Und Corona ist halt ein typisches Event. Also es passiert etwas und ich muss jetzt darauf reagieren, ich muss mich anpassen auf das, was um mich herum passiert. Ich kann nicht einfach planen, was zu tun, denn kein Mensch hat Corona geplant. Aber es ist jetzt eben geschehen und jetzt muss ich reagieren. Das ist halt der Wechsel, wie ich es formuliere, vom planungsbasierten zum eventbasierten und das ist für mich ein klassischer Wechsel, durch den ich auf Aktuelles reagiere. Wenn ich vorher lange Zeit für so einen Strategieplanungszyklus gebraucht habe und der auch einen langen Zeitraum überblickt hat, auch für den die Strategie gültig war, so muss ich jetzt eben auf ein Event hinaus reagieren oder durch ein Event getriggert reagieren und vielleicht auch nur einen kürzeren Zeitraum überblicken in meiner Strategie. Und dafür brauche ich halt andere Konzepte, wie ich so eine Strategie überhaupt entwickle und mit wem.

Carla Tusche: Also du sagst eigentlich, dieses Planungsbasierte ist nicht mehr zeitgemäß, kann in Zukunft in unserer schnelllebigen Welt ja dann eigentlich so vielleicht auch nicht mehr bestehen. Wie sollte denn dann deiner Meinung nach eine zukunftsfähige IT-Strategie heute aussehen? Also du hast schon mal gesagt, die sollte bestenfalls eventbasiert sein, aber vielleicht gibt es ja auch noch andere Aspekte.

Olaf Terhorst: Also wenn man mal in die Vergangenheit zurückblickt, fällt auf, dass die Strategieentwicklung oder die Zeitdauer die für die eine Strategie gültig war, die hat sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter verkürzt. Viele Unternehmen haben aber immer noch eine Strategie für sich, die drei bis fünf Jahre gültig ist und das ist schon überholt, sich Zyklen zu überlegen. Und das ist für mich ein Trigger, der dazu führt, dass ich mir überlegen muss, wie ich es anders machen möchte. Und das zweite ist halt ein kultureller Wandel in der Gesellschaft, der vor allen Dingen von Mitarbeiterseite ein viel höheres Mitsprache- oder Mitbestimmungsrecht einfordert, gerne mit diskutieren möchte, mit entscheiden möchte. Und auch das ist im klassischen Entwicklungszyklus eigentlich gar nicht vorgesehen, der eher Top-down vorgegeben ist von einem kleinen Team, was in einer kleinen Gruppe Strategien entwickelt hat, die dann von einem Management verkündet werden und von den Mitarbeitern eher die Operationalisierung verlangt hat, also jetzt überlegt euch mal bitte, wie ihr das umsetzen wollt, aber das ist meine große Strategielinie, die ich festlege als Chef oder als Führungsgremium. Und da glaube ich, das ist nicht mehr zeitgemäß.

Carla Tusche: Jetzt kannst du dir natürlich vorstellen, dass ich auf ein ganz bestimmtes Wort oder einen ganz bestimmten Begriff hinaus will, das ist ja Thema unseres heutigen Podcasts, das heißt also, wie sollte die zukünftige IT-Strategie sein?

Olaf Terhorst: Genau. Also das Wort, was du gerne hören möchtest ist “agil”. Ich denke, dass Agilität oder die Anwendung von agilen Prinzipien auch dem Strategieentwicklungsprozess weiterhelfen können.

Carla Tusche: Jetzt ist das ja zur Zeit auch ein Buzzword. Ich meine, jeder spricht ja über Agilität, alles muss heutzutage agil sein. Aber man hat ja schon das Gefühl, dass das jetzt bei der IT-Strategie noch nicht unbedingt Einzug erhalten hat.

Olaf Terhorst: Nein, es ist auch mein Gefühl, dass das nicht der Fall ist. Also das Wort Agilität taucht natürlich in jeder IT-Strategie vorne und hinten auf, aber die Entwicklung der IT-Strategie selbst funktioniert relativ selten agil oder aber nur ansatzweise agil. Also es steht ganz viel drin. In vielen Strategien kann man sich ja mit so einem Bullshit-Bingo-Zettel daneben setzen und da taucht als allererstes das Wort Agilität auf und Effizienz und Effektivität. Agilität ist auf jeden Fall dabei, wir müssen agiler werden usw. heißt es da. Aber was das wirklich bedeutet, wie man das kann, da sind halt ganz viele Unternehmen gerade dabei dies rauszufinden und stecken da unglaublich viel Arbeit rein und machen da auch sehr große Fortschritte, aber, wie gesagt, im Bereich Strategieentwicklung momentan nur in Ansätzen, wie ich das sehe.

Carla Tusche: Was glaubst du denn, woran das liegt? Ist das eher Unkenntnis, ist das vielleicht auch ein Stück weit Überforderung, dass man gar nicht weiß, wie man eine Strategieentwicklung agil macht? Was ist es genau? Was ist der Grund dafür?

Olaf Terhorst: Ich denke einmal Letzteres was du gesagt hast, wie mache ich das agil? Also wie wende ich agile Prinzipien auf so was wie IT-Strategieentwicklung an? Das ist ein wichtiger Punkt. Und dann ist es aber auch so, dass die wirklich durchdringende Anwendung von agilen Prinzipien in einem Unternehmen einen Kulturwandel darstellt. Und Kulturwandel ist etwas, was sehr lange dauert und was sehr behutsam angegangen werden muss, was man nicht von oben verordnen kann. Wenn meine Strategie ist agil zu werden, ist man noch nicht wirklich weit. Und da gibt es ein altes Sprichwort: Culture eats Strategy for Breakfast. Wenn ich also als Strategie formuliere, ich möchte gerne agil werden oder ich möchte agiler werden, und auf dem Level bewegen sich viele Strategien, dann ist damit noch nicht viel gewonnen, weil die Unternehmenskultur meist anders ist und das gilt insbesondere für Strategien. Viele Unternehmenslenker oder Manager leben immer noch unter dem Paradigma, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben müssen und alles beantworten können müssen und nicht nur Ziele vorgeben müssen, sondern auch wissen müssen, wie das umzusetzen ist und so weiter. Und daraus kommt ja dieser Impuls in einem kleinen Kreis eine Strategie zu entwickeln und auszuformulieren und alles Mögliche zu machen, um sich selbst das Gefühl zu geben, ich kann meiner Mannschaft eine gute Richtung geben. Aber eben für viele Leute, gerade junge Leute heutzutage fühlt sich das dann eher übergestülpt an, weil sie nicht dabei waren bei der Entwicklung dieser Ausrichtung und die möchten gerne mit dabei sein, möchten mitbestimmen, möchten das verstehen, wie man dazu gekommen ist und das sind dann halt verschiedene Punkte wie Mitbestimmung, Transparenz, Offenheit, das ist eine Anforderung von Leuten und die führen halt dazu, dass dann der klassische Strategieentwicklungsprozess eben daran scheitert, weil er früher anders gelebt wurde.

Carla Tusche: Du hast es ja schon ein bisschen ausformuliert, woran es eigentlich in Unternehmen scheitert, warum sich da viele so schwer tun, aber lass uns doch mal die traditionelle Strategieentwicklung der agilen gegenüberstellen, wo sind denn da die wesentlichen Unterschiede?

Olaf Terhorst: Klassisch, wie ich gesagt habe, ist planungsbasiert mit einem langen Zeitraum. Langer Zeitraum heißt drei bis fünf Jahre, da sind auch viele Unternehmen mittlerweile schon von weg und sagen, ein bis drei Jahre darf nur eine Strategie überblicken. Aber trotzdem ist es vielfach einfach noch planungsbasiert. Da heißt es einfach, alle zwei Jahre müssen wir eine neue Strategie entwickeln. Also wenn ich jetzt IT-Strategieentwicklung anschaue, da wird gewartet bis die Unternehmensstrategie fertig ist, die Unternehmensstrategie wird dann analysiert und dann wird darauf aufgebaut etwas gemacht. Anstatt das gemeinsam zu machen, kollaborativ und zwar unter einer sehr großen Beteiligung von möglichst vielen Leuten von verschiedenen Ebenen. Das sind so die großen Gegensätze, also planungsbasiert gegen eher eventbasiert, langer Zeitraum gegen sehr kurzen Zeitraum, nicht Top-down von oben und einer kleinen Gruppe, sondern kollaborativ mit einer Vielzahl von Beteiligten, die Input dazu liefern. Und dann halt, wenn es um die Umsetzung geht, eben nicht: Wir haben eine Strategie. Das ist das klassische, setzt das jetzt um die nächsten zwei Jahre, und wir haben hier einen Plan entwickelt und der ist jetzt abzuarbeiten. Sondern hin zu: Pass mal auf, wir haben eine große Ausrichtung in die Zukunft und wie können wir uns denn jetzt inkrementell langsam vortasten und mal was ausprobieren und dann eventuell wieder anpassen was wir machen wollen. Also in kleineren Zyklen denken und eher ausprobieren und sich langsam aber sicher vorwärts tasten und die Lösungsexperimente angehen, damit man eben weg komme von: Ich weiß heute, was in zwei Jahren richtig ist. Und von daher ist ein gutes Beispiel wirklich Corona. Klar gab es irgendwelche Szenarien, wo schlaue Leute sich überlegt haben, was passieren wird, wenn so etwas auftaucht, aber es hatte ja kaum einer wirklich in den Unternehmen auf dem Schirm, wie man jetzt damit umgehen muss und welche Branchen davon wie stark betroffen sind hätte auch kein Mensch vorab wissen können.

Carla Tusche: Welche Schwerpunkte sollten denn in einer agilen IT-Strategie deiner Meinung nach berücksichtigt werden. Also jetzt mal konkret wirklich die, die nur in der agilen IT-Strategie vielleicht vorkommen und in der traditionellen nicht, welche wären das?

Olaf Terhorst: Also ich denke, in einer agil entwickelten IT-Strategie nimmt der Kunde, also der Endkunde des Unternehmens noch mal einen wesentlich größeren Part ein und sei es, dass er überhaupt mal erwähnt wird, denn ganz wenig IT-Strategien, die ich kenne, legen ihren Fokus auf oder traditionell legt man den Fokus aufs Business und das Business legt den Fokus auf den Kunden. Aber eine gemeinsame Strategie aus Business und IT heraus, ein gemeinsamer Fokus auf den Kunden spiegelt die Realität in den Unternehmen meiner Meinung nach wesentlich besser wider und das muss eben auch angegangen werden, dass man gemeinsam über Lösungen für den Kunden denkt, dass die IT eben auch wirklich essentieller Bestandteil vom Business wird. Und das kann man eben durch eine gemeinsame Entwicklung der IT-Strategie schon anfangen. Also Aufnahme des Kunden in das Blickfeld bei der Entwicklung einer IT-Strategie ist der eine Punkt. Und der zweite wichtige Punkt ist für mich die Steuerung des Ganzen, also wie steuere ich die Strategie. Klassischerweise ist es eben: Ich entwickele einen Plan, der gilt für zwei Jahre und dann initiiere ich strategische Projekte oder Leuchtturmprojekte und dann werden die abgefahren. Und wenn die Projekte abgefahren sind oder Programme abgefahren sind, dann kommt wieder ein neuer Strategiezyklus und dann setze ich das Ganze neu um. In einem agilen Vorgehen funktioniert das halt nicht, da ist das viel zu langfristig und deswegen braucht man neue Steuerungsmechanismen. Da gibt es agile Methoden wie Kanban , da gibt es das Flight Level Modell, da gibt es Design Thinking als Methoden bei der Erarbeitung, aber eben für die Umsetzung klassisch Kanban, Flight Level Modell und OKRs, also Objectives und Key Results, die die Möglichkeit lange Vorhaben in kleine Abschnitte zu zerteilen, die ich viel besser adaptieren kann und besser anpassen kann. Das ist hilfreich und das muss ich halt wiederfinden meiner Meinung nach in einer IT-Strategie. Denn normalerweise habe ich drei Blöcke in einer IT-Strategie, was will das Business, die Demand Seite, dann eine zweigteilte Supply Site und was liefere ich aus, was ist meine Vision und was sind meine Kontrollmechanismen. Und zu diesen Kontrollmechanismen gehört eben auch eine agile Vorgehensweise, eine agile Steuerung der Umsetzung der Strategie.

Carla Tusche: Also ich fasse noch mal ganz kurz zusammen. Das war ja doch eine recht lange Antwort. Die ganz wesentlichen Unterschiede sind die, dass man die Perspektive des Kunden mit einbezieht. Zu den Schwerpunkten einer agilen IT-Strategie und du sprichst ja auch über “mgms glorreiche Sieben der IT-Strategie”. Da behandelst du das Ganze noch mal etwas ausführlicher und gehst auf diese sieben Schwerpunkte, die du für notwendig hältst noch mal ein. Das wollte ich noch mal ganz kurz unsern Hörern an dieser Stelle ans Herz legen, dieser schönen Artikel, der auf unserem Blog zu finden ist. Jetzt mal angenommen, dass ein Unternehmen tatsächlich die Entscheidung trifft, dass die It-Strategie in Zukunft agil aufgesetzt werden soll, was sind denn dann die wesentlichsten Veränderungen, die umgesetzt werden müssen und welche Schritte sind dafür nötig, um von traditionell zu agil zu kommen?

Olaf Terhorst: Das eine ist anfangen.

Carla Tusche: Das ist immer gut.

Olaf Terhorst: Ja, das ist sehr wichtig, weil es eben auch ein ganz wichtiger Bestandteil von Agilität ist, Dinge auszuprobieren und sich Dinge zuzutrauen. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist eben auch Transparenz und Einbeziehung von ganz vielen und das ist das, wo die meisten Unternehmen fürchterliche Angst haben und als riesengroße Hürde sehen, damit anzufangen. Also Offenheit, Transparenz herstellen ist bei Agilität immer einer der ersten Punkte. Transparenz herstellen, Offenheit an den Tag legen und offen darüber reden, was man vorhat. Und dazu gehört eben auch Offenheit über die eigene Unsicherheit, was die eigene Fähigkeit angeht, die Zukunft zu planen. Und das ist für sehr viele Unternehmen schwierig. Also letzten Endes ist ja Agilität handlungsfähig zu bleiben, darauf zielt es ab und deswegen kann es halt auch hier sehr gut verwendet werden. Aber die Schwierigkeit besteht in erster Linie, Transparenz herzustellen, Offenheit an den Tag legen und möglichst viele Leute einbeziehen und in eine offene Kommunikation mit den Leuten zu gehen. Und das ist ein Kulturwandel für viele Unternehmen und der ist schwierig, habe ich eingangs irgendwo schon mal erzählt, dass das ein ganz, ganz schwieriger Punkt ist. Und das muss man eben verstehen, dass das ein Kulturwandel ist und dieser Kulturwandel braucht Zeit. Das werden die Unternehmen, die sich mit Agilität in der Softwareentwicklung schon auseinandergesetzt haben – da fangen ja die meisten Leute an – auch gemerkt haben. Die meisten Unternehmen haben dann ganz viele Mitarbeiter in Schulungen geschickt, dann waren sie alle Scrum-Master oder HR-Coach und nichts hat sich verändert, weil es einfach Zeit braucht, um Dinge auszuprobieren, Dinge zu tun, davon zu lernen, ein Review zu machen und das nächste mal das besser zu machen. Und das meinte ich mit anfangen, man muss es einfach mal tun, ausprobierern, scheitern, besser machen.

Carla Tusche: Also ganz wichtig, dass man das Ganze nicht als reines IT-Projekt behandelt, sondern tatsächlich diesen Kulturwandel immer im Hinterkopf hat, ne?

Olaf Terhorst: Also es ist vor allen Dingen kein Projekt, es ist ein Kulturwandel, den man natürlich auch projektieren kann, klar und mit Projekten unterstützen kann, die den Wandel managen. Aber mein Punkt war, das es ein Kulturwandel ist, der Zeit braucht. Und man kann sich Methoden zu Hand nehmen, wir können natürlich Unternehmen helfen und das als Coaches unterstützen. Aber wichtig ist einfach eben einfach anfangen.

Carla Tusche: Jetzt würde ich gerne am Ende noch mal darauf eingehen wollen, welche Herausforderungen oder Fallstricke es da gibt. Du hast jetzt schon mal erwähnt, dass es wichtig ist, den Kulturwandel zu berücksichtigen und dass das Ganze womöglich keine Früchte trägt, wenn man das nicht tut, das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Faktor und dieses, dass man sich nicht traut anzufangen. Was gibt es denn da noch so für ganz typische Herausforderungen, denen sich da Unternehmen stellen müssen? Vielleicht hilft es ja, die vorher zu kennen, um die dann ganz gezielt vermeiden zu können.

Olaf Terhorst: Ich denke, das Ganze ist etwas, was von oben vorgelebt werden muss, das ist ein ganz großer Fallstrick zu glauben, man könnte so was verordnen und selbst dann nicht mitmachen als Chef. Das funktioniert nicht. Und das zweite, das ist das Thema Zeit. Also ich glaube auch, dass es Hilfe von außen braucht, wenn man keine große Erfahrung mit Agilität hat im Haus, braucht es Hilfe von außen, um da mal reinzukommen. Und wenn man das tut, ist dann der nächste Fallstrick zu glauben, dass man das rein mit externer Hilfe kann. Also das funktioniert auch nicht. Das muss man als Organisation eben selbst lernen. Da komme ich wieder auf das Thema Kulturwandel zurück. Ich muss Menschen inhouse installieren, die diese Dinge treiben und diese Dinge machen können. Ansonsten hat man permanent Externe im Haus, was uns natürlich freut, aber es ist nicht zielführend, um sich zu wandeln. Das kann ich mir nicht von außen verordnen lassen, das ist für mich wie, wenn man zum Arzt geht und, keine Ahnung, abnehmen möchte, dann kann man sich vom Arzt den Rat geben lassen, was man machen kann, dann kann man sich meinetwegen im Fitnessstudio einen Coach an die Seite stellen, der einem hilft, erst mal in die Gänge zu kommen, aber damit da langfristig bei einem bleibt, muss man sein Leben umstellen.

Carla Tusche: Muss man selber strampeln.

Olaf Terhorst: Muss man selber strampeln, das ist die Ernährung umstellen und so weiter und das ist das ähnliche Konzept, also ich muss das selbst lernen und selbst machen, damit das langfristig bei im Unternehmen verankert wird.

Carla Tusche: Was für eine Zeitspanne würdest du da ungefähr für so eine Umstellung veranschlagen, wenn man das überhaupt so pauschal beantworten kann, von traditionell auf agil, meine ich jetzt.

Olaf Terhorst: Von traditionell auf agil kann sofort losgehen, man kann sofort morgen loslegen. Das heißt, ich muss meine Gespräche mit dem Business anders führen, ich muss meine Gespräche mit den Mitarbeitern anders führen, ich muss damit natürlich erst mal mit dem CIO oder mit der Kernmannschaft von so einem CIO erst mal das gemeinsame Committment erarbeiten, das wollen wir in Zukunft so tun. Und dann kann man aber sofort loslegen. Das geht für mich relativ zügig. Wie schnell man dann das lernt, das hängt immer von so einer Organisation ab und von der Komplexität und der Größe der Organisation und ob das Business dazu bereit ist und auch schon erste Agilitätserfahrungen gesammelt hat oder auch die IT gerne inthronisiert und nutzen möchte, um Agilität ins Unternehmen zu bekommen, was auch wunderbar funktioniert. Aber dann komme ich wieder zurück auf das Thema Kulturwandel und Kulturwandel braucht Zeit. Da bin ich wieder bei zwei, drei Jahren, die es braucht, um das wirklich zu leben. Daher wird es wahrscheinlich weiterhin eine Aufgabe sein, an diesem Kulturwandel festzuhalten und nicht wieder in alte angestammte Verhaltensmuster zurückzufallen, wenn die nächste Krise kommt oder wenn die ersten Widerstände kommen, weil Wiederstände gegen Wandel wird es immer geben. Und auch da muss ich eben lernen mit umzugehen, eventuell auch mal eine Konfrontation auszuhalten, schwierige Diskussionen auszuhalten. Auch das ist für viele Unternehmen ein kultureller Wandel, dass man mit den Führungsleuten überhaupt diskutieren darf, auch da kenne ich Unternehmen, da ist das nicht Gang und Gäbe. Kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen, aber es gibt immer noch Unternehmen, wo Chef befiehlt und der Rest hat zu folgen. Das ist meiner Meinung nach nur noch von bedingter Dauer so einzuhalten und in einigen Situationen, wie Notfallsituationen notwendig, eine klare Struktur zu haben, aber nicht langfristig im Unternehmen, meiner Meinung nach, durchführbar.

Carla Tusche: Ja, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass jetzt auch die letzten Monate, also schon die Corona-Krise die Unternehmen auch an den Punkt gebracht haben, das einfach grundsätzlich mal zu überdenken. Da sieht man doch, dass dieses traditionelle Vorgehen, lange Planungszyklen einfach nicht funktionieren.

Olaf Terhorst: Genau, das Thema lange Planungszyklen.

Carla Tusche: Und die nächste Krise wird kommen.

Olaf Terhorst: Genau. Die langen Planungszyklen funktionieren dann nicht, das ist richtig, aber hat wieder im Gegensatz dazu auch bewiesen, in solchen Notsituationen, in der Sekunde, wo sie passieren, brauche ich eine klare Struktur von Leuten, die wissen wo es lang geht, die klare Anweisungen geben, damit sich die Leute, die verunsichert sind, dran halten können, was die Regeln sind. Aber auch wenn wir da wieder angucken, wie Corona jetzt hier in Deutschland läuft, gerade aktuell gehen wir auf die zweite Welle zu. Zu Anfang haben alle die Vorschriften akzeptiert und nach kurzer Zeit wollten alle mitreden und haben auch das Recht darauf mitzureden und mitzuentscheiden und mitzumachen. Und das gleiche gilt für so ein Unternehmen in solchen Krisensituationen.

Carla Tusche: Vielen Dank für die sehr ausführlichen Informationen. Aber das geht ja noch ausführlicher mit unserer tollen Artikelserie zum Thema agile IT-Strategie, da behandeln wir noch mal oder die Kollegen eigentlich, die Experten bei uns im Team behandeln da noch mal einige Themen, die wir heute auch andiskutiert haben. In der Artikelserie geht es um die Methoden der agilen IT-Strategie, warum sich was ändern muss überhaupt, welche Anforderungen es gibt, Schwerpunkte et cetera, alles auf unserem Blog abrufbar und da kann man sich, glaube ich, ein sehr, sehr gutes Bild verschaffen, wie man da Ganze angehen kann. Und sonst stehen natürlich auch Olaf und die anderen Experten bei uns im Team immer für Rückfragen zur Verfügung. Wenn Sie also noch weitere Fragen haben, wenden Sie sich gerne an die info@mgm-cp.com und dann leiten wir Ihre Anfrage an Olaf weiter. Olaf erst mal vielen Dank für deine Zeit und für die vielen spannenden Infos und ja, vielen Dank.

 

Artikel-Serie “Agile IT-Strategieentwicklung”

Die zukünftige IT-Strategie ist agil! Warum Sie Ihre IT-Strategie ändern sollten, welche Anforderungen es an den Entwicklungsprozess Ihrer Strategie gibt, welche Stakeholder involviert werden sollten und mit welchen Methoden Sie die richtigen Schwerpunkte aufnehmen, erläutern unsere Experten in der Artikel-Serie “Agile IT-Strategieentwicklung”: