“Ein stetig wachsender Wettbewerb in sehr engen Märkten, der Druck möglichst schnell, möglichst innovative Produkte am Markt anbieten zu können, eine extrem hohe Kundenorientierung, und ein Trend, der aus Technologien besteht, die ermöglichen, bestimmte Dienstleistungen einzukaufen, oder direkt aus dem Business heraus zu nutzen – Stichwort Cloudservices. Diese verschiedenen Einflussfaktoren haben wir untersucht, und haben festgestellt, dass sich die bestehenden Grenzen in den Organisationen schon in der Vergangenheit gewandelt haben und in Zukunft immer weiter auflösen werden.” (Olaf Terhorst)

Warum sich die Grenzen der IT-Organisation auflösen und welche Möglichkeiten sich für Unternehmen mit der Grenzauflösung ergeben, verraten Merle Best und Olaf Terhorst im neuen mgm Podcast.

Artikel-Serie “Die IT-Organisation der Zukunft”

Warum die Grenzen Ihrer IT-Organisation ins Wanken geraten, und warum Sie diese Grenzen neu überdenken sollten, welche Einflussfaktoren es auf die IT-Organisation gibt, und welche Auswirkungen diese Einflussfaktoren auf die IT-Organisation und damit auf die Grenzen der selbigen haben, erläutern unsere Experten in der Artikel-Serie „No Border Control – Die IT-Organisation der Zukunft kennt keine Grenzen“:

Transkript

Merle Best: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge vom mgm Podcast. Mein Name ist Merle Best, und ich spreche heute mit Olaf Terhorst über die IT-Organisation der Zukunft. Olaf, warum bist du genau der richtige Ansprechpartner, wenn es um die IT-Organisation der Zukunft geht?

Olaf Terhorst: Hallo Merle. Vielen Dank für die freundliche Einladung. Ich denke, ich bin der richtige Ansprechpartner, weil ich einmal selbst über zwanzig Jahre Erfahrung in der Reorganisation von IT habe. Ich bewege mich seit über zwanzig Jahren als Berater in IT-Organisationen und angrenzenden Regionen. Und ich bin hier bei mgm einer der vier Partner dieses Unternehmens, und habe ein ganzes Team, eine Community, um mich herum aufgebaut von Experten, die sich ebenso wie ich mit voller Leidenschaft für dieses Thema interessieren. Wir haben schon sehr, sehr früh uns mit dem Thema Agilität auseinandergesetzt. Wir haben uns sehr früh mit dem Thema Change-Management auseinandergesetzt, um als integrierte Beratung da sehr viele verschiedene Aspekte mit einfließen zu lassen. Und über eine Kooperation mit der Universität St. Gallen sind wir immer sehr, sehr dicht an dem dran, was teilweise erst in den nächsten kommen wird, sodass wir als gesamtes Team, oder gesamte Community, wir nennen uns CIO Advisory, uns mit dem Thema beschäftigen. Ich glaube, wir sind da hochaktuell, und bringen extrem interessante Aspekte mit rein. Und dazu haben wir jetzt auch eine Serie von fünf Artikeln geschrieben, die die IT-Organisation der Zukunft unter dem Schlagwort, No-Border-Control, beleuchten.

Merle Best: Ja. Im Rahmen der CIO Advisory Community und Projekte habe ich das Vergnügen bei mgm consulting partners mit dir zusammenzuarbeiten, und auch mit unseren hochgeschätzten Kollegen. Und, ja, du hast es schon angesprochen, wir beschäftigen uns mit einer hochspannenden These, der wir diesen Titel gegeben haben: No-Border-Control, die IT-Organisation der Zukunft kennt keine Grenzen. Da geht das Kopfkino direkt an, lässt wirklich Raum für Interpretationen. Ja. Erzähl doch mal, was haben wir uns dabei gedacht?

Olaf Terhorst: Genau. Wir haben verschiedene Einflussfaktoren, die momentan am Markt herrschen, uns angeschaut. Das ist vor allen Dingen ein stetig wachsender Wettbewerb in sehr engen Märkten, der Druck möglichst schnell, möglichst innovative Produkte am Markt anbieten zu können, eine extrem hohe Kundenorientierung, und ein Trend, der aus Technologien besteht, die aus auch ermöglichen, bestimmte Dienstleistungen einzukaufen, oder direkt aus dem Business heraus zu nutzen, Stichwort Cloudservices. Diese verschiedenen Einflussfaktoren haben wir untersucht, und haben festgestellt, dass die bestehenden Grenzen in den Organisationen schon in der Vergangenheit sich gewandelt haben, und in Zukunft immer weiter auflösen werden. Das heißt, wir sind überzeugt, dass der Status quo heute hinterfragt werden muss, und sich die IT-Organisation, so, wie wir sie kennen, immer stärker in die Richtung wandeln wird, dass die klassischen Strukturen aufgelöst werden, und sich wandeln werden. Und wie sie sich wandeln werden, da können wir heute darüber reden.

Merle Best: Olaf, wir haben uns in der CIO Advisory Community auch mit den unterschiedlichen Evolutionsstufen der IT-Organisation beschäftigt. Also, wo kommt sie her? Worüber hat sie sich entwickelt? Wo steht die heute? Da haben wir uns mit, ja, IT-Silos, mit sehr eng gefassten Teams beschäftigt. Wir haben uns damit beschäftigt, welche inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden. Und wenn man sich jetzt von den Evolutionsstufen her anguckt, wo steht die IT-Organisation heute, dann haben wir als einen der Schwerpunkte X, also, Service identifiziert. Egal, ob das jetzt Infrastruktur as a service, Plattform as a service, Software as a service, bedeutet, dieses X as a service ist aktuell in aller Munde. Und wir sehen auch, dass sich dadurch das Anforderungsprofil an IT-Organisationen stark ändert, dass es viele Vorteile bringt, wenn wir gerade Richtung Verbesserung der Liquidität gucken. Die Investitionskosten können dadurch verringert werden. Auf der anderen Seite machen wir uns aber auch stark abhängig von Anbietern. Gerade, wenn es um das Thema customizen geht, heißt eigentlich Software as a Service auf den Standard zurückzugreifen. Welche Schwerpunkte, oder welche Grenzen werden da eigentlich gesetzt, oder durchbrochen, wenn wir uns mit X as a service in der IT-Organisation beschäftigen?

Olaf Terhorst: Wenn ich nochmal ein Stück zurückdenke, wenn du an die Evolutionsstufen denkst, oder die Evolutionsstufen, die du gerade erwähnt hast: Man kommt aus den, wie du gerade schon erwähnt hast, aus den klassischen Technik-Silos, dann hat man sich hin in Applikations-Silos weiterentwickelt, hat dann angefangen, sich prozessual zu orientieren in so einem Plan-Build-Run Modus, wo noch sehr viele Organisationen heute sind. Und dann gab es schon auch in den Neunzigern, Anfang Zweitausender, große Trends zum Outsourcing, die dann zum ersten Mal dazu führten, dass man sich als Teil einer Lieferkette gesehen hatte. Im Rahmen unserer Kooperation mit der Universität St. Gallen haben wir dann ein IM-Modell mit denen zusammen entwickelt, und für den Markt bereitgestellt, was dann die IT-Organisation in so ein Source-Make-Deliver hineingebracht hat, also, am Markt etwas beziehen, was man anreichert, und dann an den Kunden wieder ausliefert, also, als Teil einer Supply-Chain sich sieht. Und die Lösungen, die sich heute im Cloud-Umfeld bieten, weichen diese Grenzen nochmal auf. Das waren früher sehr, sehr harte Grenzen. Man hat bestimmte Managed-Services zum Beispiel eingekauft. Und heutzutage gibt es da verschiedene Anbietungsmöglichkeiten. Du hattest ein paar erwähnt, IAS, PAS, SaaS, als die prominentesten Beispiele, die einerseits die Fertigungstiefe innerhalb der IT verringern, weil bestimmte Funktionalitäten und Fähigkeiten und bestimmte Verantwortlichkeiten für den Betrieb, und die Entwicklung, an einen Provider ausgeliefert werden, es aber auf der anderen Seite den Businessen ermöglichen, zum Beispiel auf bestimmte Funktionalitäten, ohne Zutun der IT, zuzugreifen. Also, im Extrembeispiel lässt sich eine SaaS-Lösung, also, eine Applikation as a service, wie eine App auf ein Handy installieren und nutzen, an der kompletten IT vorbei. Und das verringert da einmal noch die Fertigungstiefe für die IT-Organisation, und ermächtigt gleichzeitig das Business, bestimmte Themen selbst zu übernehmen, indem man in Portalen, in so Self-Service Portalen, Funktionalitäten freigibt für Nutzer. Und da braucht man nicht wirklich einen großartiges Know-How, um mächtige Funktionalitäten innerhalb dieser SaaS-Lösung meinem Business zur Verfügung zu stellen. Also, es wird dadurch an beiden Seiten aufgeweicht, was an Grenzen da ist. Also, auch da zeigt sich unsere These, finde ich, ganz gut, dass sich die Grenzen auflösen.

Merle Best: An der IT vorbei, das ist natürlich für die IT an sich kein schöner Satz zu hören. Und die Mentalität hat sich auch etwas gewandelt, denn IT ist über die Zeit kundenorientierter geworden. Und eine der Ausprägungen, die wir da sehen, ist die produktorientierte IT-Organisation, wo es ja wirklich sehr stark darum geht, auf ein Produkt geguckt, in interdisziplinären Teams zu arbeiten, das heißt, da wirklich dicht am Business dran. Weder am Business vorbei, noch das Business an der IT vorbei, sondern gemeinsam daran zu arbeiten, möglichst schnell in einer sich schnell wandelnden Welt reagieren zu können, agieren zu können, und ein Produkt zu entwickeln, das wirklich Wert generiert.

Olaf Terhorst: Genau. Einmal noch auf den Punkt, an der IT vorbei, bezogen: Ja. Früher nannte man so etwas immer gerne Schatten-IT, wenn die Business-Bereiche sich IT-Funktionalitäten selbst unter ihren Schreibtisch installiert haben und genutzt haben. Das ist hier natürlich etwas anderes. Und auch, ja, da muss sich Business und IT ein neues Zusammenwirken miteinander erarbeiten, damit eben solche Funktionalitäten, wenn es dann zum Beispiel zu Updates kommt bei der SAS-Lösung, nicht zu Störungen führen in der gesamten Prozesskette. Da ist sehr viel Kollaboration notwendig. Und den zweiten Punkt, den du jetzt erwähnt hattest, ja, wir haben natürlich vonseiten des Markts, also, das sind natürlich Meta-Trends, die jetzt nicht in der einzelnen Branche eins zu eins gelten, aber wir haben eine extreme Beschleunigung von Produktentwicklung. Es nennt sich ja auch Prosumer, also, der Konsument wird zu einem Prosumer, indem er selbst einen starken Willen hereinbringt, was er denn wirklich möchte, und nicht einfach nur stumpf das konsumiert, was am Markt ist. Dadurch kommt es zu einer extremen Steigerung, aus meiner Sicht, der Geschwindigkeit, der Notwendigkeit, sich kundenorientiert auszurichten, und auch einer Erhöhung der Komplexität, weil die Lösungen nicht besonders einfach werden. Also, das ist ein extrem hoher Wettbewerb, und man muss händeringend nach vernünftigen Lösungen suchen. Und da ist Kollaboration notwendig, um das zu machen. Meiner Beobachtung nach und Erkenntnissen nach aus den Diskussionen in den vielen, vielen Reorganisationsprojekten in den letzten Jahren ist es, dass die klassische Grenze, um auf ein Produkt zu kommen: Das Business formuliert eine Anforderung, übergibt die als Demand Organisation in die IT, die dann damit wasserfallartig etwas baut. Das funktioniert nicht mehr, weil A, sich die Anforderungen extrem schnell ändern, und B, die Geschwindigkeit darin einfach viel zu langsam ist, sodass es da neue Formen der Zusammenarbeit erfordert. Und auch da die Grenzen zwischen dem, was früher getrennt war, Business, IT, und innerhalb der IT, dann meinetwegen Demand und Anwendungsentwicklung, und IT-Infrastrukturentwicklung und Betrieb: Das muss miteinander arbeiten. Und da gibt es ja jetzt seit einigen Jahren den Begriff von DevOps, wo auch diese Prozesse parallelisiert werden, und Verantwortungsbereiche zusammengelegt werden, einfach, um eine schnellere Geschwindigkeit auf den Markt zu bekommen. Und das seit vielen Jahren jetzt schon publike Wort Agilität ist ja eher ein kultureller Faktor in den Organisationen. Die ist eben auch notwendig, also, dieses in vielen Iterationen arbeiten, um diesen Anforderungen, die vom Markt kommen, innerbetrieblich gerecht zu werden.

Merle Best: Da waren jetzt viele Informationen darin, und so viele Themen auch, die auf die IT-Organisation einwirken. Wir haben die Arbeit in interdisziplinären Teams. Wir arbeiten plötzlich parallelisiert, statt sequenziell. Business und IT arbeiten viel enger zusammen. Mit einer höheren Komplexität empfiehlt es sich agil zu arbeiten als IT-Organisation, die vor diesem Wechsel, vor diesem Wandelt steht. Da könnte man sich glatt etwas überfordert fühlen. Gut, dass es da so Leute wie dich und unsere Kollegen bei der mgm Consulting Partners gibt, die sich ja schon mit über dreißig Reorganisationen in diesem Bereich beschäftigt haben. Wir bringen also ganz spannende Methoden mit, viel Praxiserfahrung. Und, ja, erzähl mal.

Olaf Terhorst: Genau. Wir haben uns natürlich in den letzten Jahren ein Set an Methoden und Verfahren überlegt und entwickelt, zum Teil gemeinsam mit der Uni St. Gallen, das hatte ich ja vorher schon erwähnt, mit denen wir eine Kooperation haben, um unsere Kunden sicher durch eine Reorganisation zu führen. Wir haben etablierte Prozessmodelle, wir haben etablierte Rollenbeschreibungen. Wir haben ein Set von Governance Gremien, die man natürlich immer adaptieren muss an den Kunden, weil wir sind ein sehr großer Freund von Individualisierung und Anpassung von auch etablierten Methoden an das Kundenumfeld, weil jede Organisation ist einzigartig. Und vor allen Dingen ist jede Organisation einzigartig, wo sie stehen. Und jede Organisation wird noch viel einzigartiger durch die Menschen, die in dieser Organisation arbeiten. Und da haben wir ja vor mehreren Jahren für uns das Credo der integrierten Beratung entwickelt, um diese verschiedenen Perspektiven, also, das Geschäft, die IT, und die Menschen, die in dieser Organisation leben, zusammenzubringen, weil spätestens, wenn man dann eine neue Art der Zusammenarbeit und eine neue Art der Aufbau- und Ablauforganisation definiert hat, muss die ja irgendwie in das Leben kommen. Und dabei müssen die Menschen mitgenommen werden. Als ich in den Neunzigern angefangen habe tätig zu sein, ich hatte vorhin kurz erwähnt, war ich Chemiker. Da war ich sehr stark durch meinen Studiengang dadurch geprägt: Ich bekomme eine Anweisung, und der folge ich, und muss mir dann natürlich irgendetwas Neues überlegen, wenn die Anweisung nicht funktioniert. Aber ich war sehr stark davon geprägt, etwas nach Anleitung durchführen zu können. Und ich habe dann festgestellt, dass natürlich Menschen, die zum Beispiel in der IT arbeiten, die gewohnt sind sehr kreativ zu arbeiten, zumindest auf der Anwendungsentwicklungsseite, und in den früheren Zeiten auch in der Infrastruktur, und heute ist das eigentlich auch immer noch der Fall, weil das ein sehr komplexes, nicht einfach strukturiertes System ist, das sich immer noch so ein bisschen Ingenieursansätzen verweigert, das nicht einfach so machen. Die muss man wirklich mitnehmen, um Änderungen im Verhalten auch wirklich wirksam werden zu lassen.

Merle Best: Ja. Der IT-Mensch, das ist ein ganz tolles Stichwort, und dass du hier diesen Menschen so in den Fokus rückst. Denn in vielen Diskussionen rund um die IT-Organisation geht es immer wieder um die Struktur, um die Arbeitsinhalte, um die Abgrenzung und die Schwerpunkte. Aber bei uns geht es ja wirklich darum, einmal die Grenzen zu hinterfragen, um uns weiterzuentwickeln. Aber es geht auch um die Menschen in dieser Organisation. Ohne die wäre die Organisation gar nicht arbeitsfähig. Und immer wieder stelle ich fest, dass, wenn die Veränderung so groß ist, dann fragt man sich auch: Wer bin ich eigentlich? Was mache ich hier? Und wir haben auch diskutiert, dass es wichtig ist, einmal die Rolle und das Selbstverständnis der IT-Organisation an sich festzulegen, nämlich die Frage: Ist es ein Dienstleister? Ist es ein Co-Creator? Ist die IT-Organisation jetzt ein Technology-Coach, oder doch der zentrale Treiber für den Geschäftserfolg, und auch der Treiber für neue Geschäftsmodelle? Und das eine, was ich mir dann angeguckt habe, ist einmal, ja: Was sind eigentlich so die Top IT-Skills, die gefragt werden, die auch jetzt 2020, 2021 wirklich nachgefragt sind? Und je nachdem, in welche Liste man guckt, dann taucht da plötzlich Cyber-Security auf, Security ist ja ohnehin ein Riesen-Thema, Cloudservices, wir hatten sie heute auch schon mit in unserem Gespräch mit dabei, Data-Analytics, absolutes Hot-Topic. Aber eben auch so Klassiker wie tatsächlich Netzwerkadministration, Wireless, sind immer noch hoch gefragt. Und das, was dort nicht auf der Liste steht, ist das, was mich gerade am meisten interessiert, nämlich: Wie schaffe ich es, neben den Fach-Skills, die ich ja mitbringe als IT-Fachkraft, in der IT-Organisation der Zukunft effektiv arbeiten zu können? Wie komme ich da rein? Wir haben über ganz andere Teamzusammensetzungen gesprochen. Was bedeutet das eigentlich für das Mindset, für das Skillset, Soft-Skillset, von CIOs, von leitenden Angestellten, aber eben auch von Teammitgliedern an sich? Und ich glaube, da ändert sich wirklich eine ganze Menge. Fangen wir einfach mal bei den Führungskräften an, also, die Art und Weise wie geführt wird, verändert sich natürlich ganz stark. Ich habe auch schon Diskussionen geführt, da hieß es: Nee, wir haben uns groß auf die Fahne geschrieben, wir möchten mehr Verantwortung nach unten durchgeben.

Olaf Terhorst: Ja. Genau. Ich glaube, ein großes Thema von dem Thema Agilität ist ja, die Verantwortung in Teams zu geben, so ein Schlagwort ist, Leadership on all levels, wo autarke Teams sehr viel Verantwortung übernehmen müssen, die für sie, in einigen Organisationen, die aus einer sehr hierarchischen Welt kommen, sehr ungewöhnlich sind, weil sie eigentlich darauf warten, dass ihnen jemand sagt, oder sie es gewohnt, dass ihnen jemand sagt, was sie tun sollen, sagen wir es mal so. Und das ist für beide Seiten sehr neu. Also, das ist für den Führenden neu, da nicht mehr streng gewisse Dinge vorzugeben. Und das ist für die Geführten neu, selbst da in die Verantwortung hereinzugehen. Und das ist ein super spannender Prozess, der da in den Organisationen stattfindet. Der ist nicht konfliktfrei. In vielen Situationen erinnert mich das an die Diskussionen, die vor zehn, fünfzehn Jahren bei einigen Kunden, bei denen ich unterwegs war, geführt wurden, als es um die Einführung von Lean ging, wo mittlere Management-Ebenen plötzlich nicht mehr existent waren, und die sich dann überlegen mussten, wo gehen sie denn hin. Gehen sie in die (unv. Ton kurz weg, bleiben sie in führenden Position, sind aber eigentlich dann eben eine Ebene höher? Oder gehen sie in die Teams zurück? Und in einer modernen Organisation, wie man sie bei den klassischen Frontrunnern dann kennt, die dann stark schon in so eine Netzwerkorganisation sich hineinarbeiten. Da ist diese klassische, hierarchische Struktur komplett aufgelöst, also, oder wird immer weiter aufgelöst, wo sich immer wieder pro Thema ein neues Team bildet, und immer eine neue Form von Führung. Da ist immer wieder ein Neuer, der vorne steht, und sagt: Okay, ich kann das organisieren, ich bin hier Experte. Und jemand, der heute in einem Thema Mitarbeiter ist, kann morgen in dem anderen Thema Führender sein, und andersherum. Das ist super spannend. Da gibt es ganz viele tolle Berichte und Erfahrungen darüber, wie sehr das die Menschen, die früher in hierarchischen Strukturen gelitten haben, plötzlich aufhellt, und plötzlich eine ganze neue Power reinkommt. Aber das ist ein Prozess. Das passiert nicht irgendwie auf Knopfdruck, sondern das muss halt begleitet werden. Und das ist ein sehr, sehr spannender Faktor. Ich glaube, dass dieser IT-Mensch momentan / Oder ich sage immer wieder bei Menschen, die sich bei uns bewerben: Hey, komm genau in dieses Thema rein. Das ist momentan spannendste Phase, die es überhaupt gibt. Das Gefühl hatte ich aber auch schon vor zwanzig Jahren, dass das die spannendste Phase ist, jetzt nochmal umso mehr. Die Technologie schreitet unglaublich schnell voran. Das, was mich damals von Chemie weggebracht hat, hin in die Unternehmensberatung, war nämlich mit anderen Menschen gemeinsam an etwas zu arbeiten. Das passiert jetzt überall, also, das Auflösen von Silos, hin zu Kollaboration, miteinander reden, miteinander auf die Idee kommen, weil die Komplexität der Situation so hoch ist, dass man alleine nicht mehr auf die Lösung kommt, und einfach miteinander redet, und gemeinsam kreativ ist. Ich finde das traumhaft schön. Ich finde das traumhaft, dass sich in der Fehlerkultur eine ganze Menge ändert, also, das weg vom Blame-Game, du bist der Schuldige, hin zu gemeinsam nach Lösungen suchen, und: Hey, ich habe hier einen Fehler begangen, lass uns doch daraus lernen. Das ist etwas, was in der amerikanischen Kultur schon länger vorhanden war, und was jetzt auch immer stärker hier in Europa Früchte trägt, und uns sehr, sehr guttut, wie ich finde.

Merle Best: Das ist quasi eine grenzenlose Rollendefinition, die man sich da finden und suchen kann.

Olaf Terhorst: Genau. Entschuldigung. Da muss ich kurz einhaken, weil auch da ist dieses, Grenze aufweichen zwischen: Ich war früher in meinem Betätigungsfeld aktiv. Und auch da wird die Grenze aufgeweicht. Das ist so ein permanentes Weiterlernen, einmal auf individueller Ebene und auf Organisationsebene, also, einer lernenden Organisation, und die Dinge permanent zu hinterfragen, und die Dinge morgen nicht so zu machen, wie gestern, weil das haben wir schon immer so gemacht. Das hat einen sehr hohen Anspruch an die einzelnen Individuen in der Organisation, und erfordert natürlich auch sehr viel Energie und Spaß an Neuem. Sorry, dass ich da nochmal kurz reingegrätscht bin.

Merle Best: Olaf, ich weiß doch, wenn dich erstmal die Leidenschaft für ein Thema gepackt hat, dann kannst du nicht loslassen. Aber, No-Border-Control, das habe ich ja eingangs auch erwähnt, da denke ich auch immer als Erstes so an Ländergrenzen, oder räumliche Grenzen zumindest. Und das ist auch ein Aspekt. Wir haben heiß darüber diskutiert: Wo werden auch räumliche Grenzen überschritten? Und das sehen wir beispielsweise im Recruiting von IT-Talenten.

Olaf Terhorst: Ja. Ich kann mich noch an Vorträge erinnern von einem alteingesessenen CIO, der damals so vor zehn Jahren seine Abschiedstournee gemacht hat, dem CIO der Münchener Rück, und der damals schon gesagt hat: Hey, eigentlich ist die Zeit dazu da, verteilt zu arbeiten, und sehr viel stärker Remote zu arbeiten. Der aber gesagt hat: Da stehen ganz gewichtige Menschen momentan noch dazwischen, und zwar die alten Führungskräfte. So, er zeigte da eher auf sich, die Silberrücken, die sechzig, 65 sind, die immer noch sehr gerne auf ihre Truppen schauen, und die gerne führen wollen, und gerne sehen wollen, wie die arbeiten. Da haben wir jetzt eine mega Erfahrung gemacht durch Corona. Da sind wir alle in das Homeoffice gepresst worden. Also, ich möchte Corona hier irgendwie nicht schön reden, und auch gar nicht tiefer in dieses Thema einsteigen. Aber wir haben dadurch einen sehr hohen Druck gehabt, verteilt arbeiten zu müssen. Und fast alle Unternehmen haben positive Erfahrungen damit gesammelt, dass dieses verteilte Arbeiten sehr gut möglich ist, haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Mitarbeiter sehr intrinsisch motiviert sind, und sehr gerne arbeiten. Und das führt natürlich zu der Erkenntnis: Hey, ich muss nicht mehr lokale Arbeitskräfte finden. Ich kann auch Arbeitskräfte aus anderen Städten finden, die für mich arbeiten, ohne, dass die aus ihrem familiären Umfeld herausgerissen werden müssen. Das sind plötzlich Möglichkeiten für vor allen Dingen kleine und mittelständische Unternehmen, die es früher gar nicht gab. Da gab es viele Unternehmen, so diese Hidden Champions, die irgendwo auf dem Dorf leben, die Schwierigkeiten hatten, vernünftiges Personal in diese eher ländlichen Strukturen zu bekommen. Und die sind plötzlich in die Lage gesetzt, auch, entweder aus einer anderen Ecke in Deutschland einen Spezialisten anzustellen, oder aus einer ganz anderen Ecke in der Welt. Es gibt ja diese Nomaden, die sich teilweise dann auch schon in Thailand oder so etwas hinsetzen, und von da aus arbeiten. Ich habe selbst einmal in einem Sabbatical einen ganzen Trupp kennenlernen dürfen, das war ganz spannend, die von Thailand aus arbeiten, im IT-Sektor. Aber das ist eben etwas ganz, ganz Neues. Und auch da lösen sich die Grenzen auf. Die lokalen Grenzen lösen sich auf vom Recruiting in Richtung regional, national, und teilweise auch kontinental, oder sogar global.

Merle Best: Und dazu kommt natürlich auch der Hintergrund, der diversifizierte Hintergrund, den die Mitarbeitenden auch mitbringen, gerade, wenn wir uns die Quereinsteiger angucken. Das ist nochmal ein Thema für sich. Ich denke, wir gucken nochmal einmal abbindend auf das, was wir heute schon besprochen haben. Beim IT-Menschen haben wir festgestellt, dass Mitarbeitende in einer IT-Organisation einmal die Spezialisten in ihrem Fach sein sollen, gleichzeitig Generalisten im Umgang mit dem Business und Kunden, sich flexibel auf neue Rollen einlassen, und bei Veränderung der Organisationsstruktur in ihrer Arbeitseffizienz nicht nachlassen. Wir haben auch gesehen, dass Technologie-Trends, und die vielfältigen Möglichkeiten zur Ausgestaltung der IT-Organisation, den IT-Menschen fast grenzenlosen Gestaltungsspielraum geben. Und ich denke damit haben wir recht deutlich gemacht, warum wir das Thema, No-Border-Control, die IT-Organisation der Zukunft kennt keine Grenzen, gerade als ein wirklich heißes Thema wirklich viel diskutieren. Olaf, wo und wann kann denn mit uns in echt darüber diskutiert werden?

Olaf Terhorst: Also, einmal sind wir natürlich hier über verschiedene Kanäle jederzeit erreichbar. Mich kann man finden auf Xing und LinkedIn. Uns kann man allgemein erreichen über info@mgm-cp.com, oder in relativ baldiger Zukunft auf der We-Think-IT in Berlin, wo wir alle Leute herzlich zu einladen, uns zu treffen, und mit uns zu diskutieren. Das ist eine wunderschöne Netzwerkveranstaltung für CIOs und Führungskräfte in der IT. Für alle, die dieses Format nicht kennen: Es ist größtenteils Berater-frei. Es ist wirklich eine reine Netzwerkorganisation. Wir sind mit dabei, weil wir eine Session haben dort, um über das Thema IT-Organisation der Zukunft zu reden, und moderieren dort ein World-Café am zweiten Tag, wo wir mit insgesamt achtzig Leuten in fünf verschiedenen Runden verschiedene Fragestellungen durchgehen werden, und sehr intensiv miteinander diskutieren werden. Einen Teil davon haben wir gerade schon im Rahmen unseres Podcasts diskutiert. Da werden wir das sicherlich nochmal vertiefen, um zu hören, was diese große Menge an verschiedenen Führungskräften für Erfahrungen aus ihren Organisationen mitbringt. Da freue ich mich schon sehr darauf, und würde mich sehr freuen, den einen oder anderen, der diesen Podcast hört, dort begrüßen zu dürfen.

Merle Best: Was ich aus unserem heutigen Gespräch auf jeden Fall mitnehme, ist: Es war noch nie so spannend, eine IT-Organisation zu sein. Herzlichen Dank, Olaf, für dieses Gespräch.

Olaf Terhorst: So am I. Vielen lieben Dank. Und allen Zuhörer*innen einen wunderschönen Tag.