Die Preispolitik stellt eine der zentralen Herausforderungen im Onlinelebensmittelhandel dar. Dies hat vor allem zwei Ursachen: Während die Margen im wettbewerbsintensiven Lebensmittelhandel traditionell äußerst klein sind, sind die notwendigen Logistikprozesse aufwändig und teuer. Tatsächliche Profitabilität zu erreichen, erscheint unter diesen Voraussetzungen ein außerordentlich schwieriges Unterfangen. Nun versucht allerdings der US-Handelsriese Walmart, mit einem gewagten Pricing-Experiment aus dem Teufelskreis auszubrechen.

Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, weist Walmart in seinem US-amerikanischen Onlineshop für ausgewählte Lebensmittel und weitere niedrigpreisige Produkte des täglichen Bedarfs wie Zahnbüsten oder Hundefutter derzeit zwei Preise aus: den regulären Filialpreis und einen höheren Preis für die Lieferung nach Hause. So kostet beispielsweise eine 14-oz-Flasche Heinz Tomatenketchup im Geschäft $ 1,53, im Onlineshop bei einer Heimlieferung dagegen $ 2,73 (Stand: 16.11.2017). Zusätzlich zu den höheren Artikelpreisen müssen Onlinekunden, die eine Lieferung wünschen, eine Liefergebühr von $ 5,99 bezahlen, sofern ihre Bestellung einen Warenwert von $ 35 nicht überschreitet. Erst oberhalb dieser Grenze ist die Lieferung kostenfrei.

Bislang hatte der Handelskonzern, der seine Preise normalerweise möglichst niedrig hält, laut dem „Wall Street Journal“ versucht, seine Filial- und Onlinepreise einander anzugleichen. Der Eindruck, dass der alteingesessene Filialist Onlinebestellungen mit diesem Strategiewechsel nun doch unattraktiv machen möchte, scheint daher nahezuliegen. Allerdings hat das Experiment einige interessante Folgen.

1. Der Preisunterschied zwischen Online- und In-Store-Einkauf wird für den Kunden transparent.
Anstatt die Preise im Onlineshop klammheimlich anzupassen und darauf zu hoffen, dass es möglichst wenige Kunden bemerken, spielt Walmart mit offenen Karten und macht seinen Kunden ein transparentes Angebot: Entweder entscheidet man sich als Kunde für den niedrigeren Preis und kauft stationär ein oder man nutzt den Lieferservice und greift für diese Convenience-Leistung entsprechend tiefer in die Tasche. Damit signalisiert Walmart seinen Kunden ehrlich: Die Lieferung von Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs ist ein kostenintensiver Zusatzservice, der nicht umsonst zu bekommen ist. Der Kunde kann somit eine fundierte Kaufentscheidung treffen.

2. Der Preisunterschied könnte die stationären Geschäfte stärken.
Ursächlich für das Experiment könnte unter anderem sein, dass Walmart seine stationäre Basis stärken möchte. Schließlich bröckelte das noch immer dichte Filialnetz des Konzerns in den USA in den vergangenen beiden Jahren ein wenig hinweg: Während 2015 etwa 150 Walmart-Geschäfte geschlossen werden mussten, reduzierte Walmart seine Filialzahl ein Jahr später noch einmal um etwa 300 Läden. Um diesen Trend zu stoppen, müssen wieder mehr Kunden in die Geschäfte geschleust werden. Der offen kommunizierte Preisunterschied könnte der hierfür passende Anreiz sein – vorausgesetzt, die Kunden wandern nicht zu einem anderen, womöglich preisgünstigeren Onlineangebot ab.

3. Der Preisunterschied erhöht die Margen im Onlinegeschäft.
Die höheren Preise, die Walmart fortan für Heimlieferungen verlangt, haben selbstverständlich auch monetäre Folgen: Die Marge im Onlinegeschäft erhöht sich deutlich, sodass der Handelskonzern die durch die Logistik entstehenden Kosten besser decken kann. Ob die höheren Margen das Onlinegeschäft für Walmart sogar profitabel machen, ist bislang nicht bekannt.

Ob sich das Experiment als Erfolg erweist, wird die Zeit zeigen. Die Gefahr, dass Walmart mit einem derartigen Pricing-Modell seine Onlinekunden nicht nur in die eigenen Geschäfte, sondern auch in die Arme der Onlinekonkurrenz treibt, ist allerdings vorhanden. Ein solches Risiko kann sich daher wohl nur ein derartig finanzkräftiges Unternehmen wie Walmart leisten. Viel wird davon abhängen, ob Walmart trotz der höheren Onlinepreise gegenüber den Wettbewerbern im World Wide Web in preislicher Hinsicht konkurrenzfähig bleibt. Dieses Ziel verfolgt Walmart jedenfalls weiterhin. „Wir arbeiten immer daran, im Vergleich zu anderen Seiten den besten Onlinepreis anzubieten“, erklärte eine Walmart-Sprecherin im Gespräch mit dem „Wall Street Journal“. „Es kostet einfach weniger, manche Artikel in einem Geschäft zu verkaufen. Die Kunden können von den In-Store-Preisen profitieren, wenn sie sich dazu entschließen, die Artikel im Laden abzuholen.“