OZG-Programm-Management: In vier Phasen zu nachhaltigem Wissenstransfer und digitalen Leistungen

Das OZG-Programm-Management koordiniert die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), das die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sowie deren Bereitstellung über Verwaltungsportale regelt. Es lenkt die verschiedenen Aktivitäten und Ressourcen, um sicherzustellen, dass Behörden über verschiedene Verwaltungsebenen effizient zusammenarbeiten und den Bürger:innen digitale Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Damit das bestmöglich realisiert wird, setzen verschiedene Bundesländer auf die Unterstützung von externen Berater:innen. mgm unterstützt das zuständige Ministerium eines norddeutschen Bundeslandes dabei, das OZG-Programm des Landes zu steuern und somit das Onlinezugangsgesetz umzusetzen. Kurz vor Ende des Projektes liegen erste Erfahrungswerte, Erkenntnisse sowie Handlungsempfehlungen für zukünftige Projekte vor.

Kurz & knapp:

  • Retrospektiv wurden vier Entwicklungsphasen im Programm-Management identifiziert.
  • Voraussetzung für die Digitalisierung von Leistungen ist die Schaffung von standardisierten Rahmenbedingungen.
  • Stakeholder müssen von Anfang an mit in den Gesamtprozess einbezogen werden, um Synergien zu schaffen und Strukturen nachhaltig zu gestalten.
  • Mit den geschaffenen Standards können weitere Vorhaben im OZG-Kontext erfolgreich umgesetzt werden, wie beispielsweise die Registermodernisierung.

Die ersten Schritte

Mit Start des Programms im Juli 2021 bestehen deutschlandweit nur wenig Vorerfahrungen und etablierte Strukturen zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Zur Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sind die Länder angehalten, länderübergreifend zusammenzuarbeiten. Dies erfolgt nach dem Einer-für-Alle-Prinzip (EfA): Ein Bundesland entwickelt eine Leistung und stellt diese anderen Bundesländern zur Verfügung. Zu Beginn war das in Hinblick auf Arbeitsweise, Schnittstellen, Stakeholder sowie föderale Zusammenarbeit eine Herangehensweise, die es in diesem Ausmaß bislang nicht gab.

Eine Besonderheit bestand darin, dass sich das betreffende Bundesland entschied, frühzeitig ein Programm aufzusetzen, das die Strukturen, Standards und Prozesse zentral auf Landesebene festlegt. Dabei stellt das Programm-Management die übergeordnete Leitungs- und Steuerungsebene dar, die strategisch von mgm beraten und operativ unterstützt wird.

Die Programmstruktur und ihre Entwicklungsphasen

Retrospektiv lassen sich vier Entwicklungsphasen des Programms identifizieren. Diese waren aufgrund der neuen Gegebenheiten, Komplexität und Interdependenzen im Rahmen der OZG-Umsetzung nicht von Anfang an zeitlich klar planbar und inhaltlich noch nicht komplett ausdifferenzierbar. Somit musste das Programm von Anfang an eine hohe Flexibilität vorhalten, um passgenau auf schrittweise ersichtlich werdende Herausforderungen reagieren zu können.

Das Wissen über die Notwendigkeit einer hohen Anpassungsfähigkeit und die zu durchlaufenden Phasen kann für die Planung zukünftiger Digitalisierungsprogramme wertvoll sein und sollte berücksichtigt werden. Mithilfe der Phasen kann eine erste Einschätzung erfolgen, was die Beteiligten in welcher Phase erwartet und somit Missverständnissen sowie potenziellen Frustrationen entgegenwirken.

Abb.: Daueraufgabe Digitalisierung – Die verschiedenen Entwicklungsphasen im OZG-Programm-Management  

  • Phase 0: In dieser Vor-Phase wird das Programm aufgesetzt, Ziele definiert und vereinbart. Der Handlungsbedarf wird durch die Betrachtung der Dimensionen der Digitalisierung sichtbar gemacht und dadurch ein gemeinsames Verständnis geschaffen. Dies mündet in der Definition der Programmstrategie. Hier sollten idealerweise auch die Voraussetzungen für eine Befähigung der Verwaltungsmitarbeitenden von Anfang an direkt mitgedacht werden.
  • Phase 1: Diese Phase beginnt mit der Klärung und Schaffung des Rahmenwerks und der Leitlinien. Es muss fortlaufend die Verbindung zu den sich stetig verändernden Rahmenbedingungen aufrechterhalten werden und eine ausreichende Anpassungsfähigkeit im Programm gegeben sein, um dies effektiv umsetzen zu können. Besonders wichtig sind hier die Stakeholder-Analyse sowie die frühzeitige Identifikation und Einbeziehung der Interessengruppen sowie eine kontinuierliche Betrachtung, um neue Stakeholder zu berücksichtigen.
  • Phase 2: Hier ist der Aufbau von organisatorischen, rechtlichen, technischen und finanziellen Rahmenbedingungen bereits größtenteils abgeschlossen. Prozesse und Strukturen werden aufgebaut und standardisiert – so kann die Digitalisierung von Leistungen schneller und effizienter erfolgen. In dieser Phase ist anhand neuer Erkenntnisse und sich veränderten Rahmenbedingungen auch eine Synchronisation der Programmziele mit der Gesamtsituation und der Strategie vorzunehmen.
  • Phase 3: In dieser letzten Phase beginnt das Abschmelzen des Programms und der Wissenstransfer wird vorbereitet. Dabei wird das erworbene Wissen nachhaltig in die behördlichen Strukturen übergeben. Insgesamt zielt das Entwicklungsmodell stark auf Nachhaltigkeit ab. In allen Phasen wird sukzessive der Reifegrad des Digitalisierungsvorhabens und der Mitwirkenden erhöht. Wissen wird generiert, zusammengestellt und verbreitet – neue Strukturen aufgebaut. Während des Prozesses muss von Anfang bis Ende deutlich sein, dass das generierte Wissen am Ende in die Verwaltungsstrukturen zurückfließt. Dabei geht es auch darum, die passenden Ressourcen zu finden, an die das Wissen übergeben wird. In der Regel sind das alle am Programm beteiligten Personen aus der Verwaltung – beispielsweise die Ressorts/Ministerien, Landkreise, Kommunen oder die FIM-Landesredaktion.  Eine angemessene Einbindung der Fachlichkeiten (Normgebung und Vollzug), trägt im starken Maßen dazu bei, dass die gelieferten Ergebnisse genutzt werden.

Rahmenbedingungen für Standardisierung schaffen

Die Zielsetzung des Digitalisierungsprogramms ist, bis zum Ende des Programms möglichst viele Leistungen zu digitalisieren. Doch es sollte von Anfang an klar kommuniziert werden, dass der Erfolg nicht nur davon abhängt. Denn bevor man anfängt, Leistungen zu digitalisieren, müssen Rahmenbedingungen und Standards geschaffen werden, die es einfacher machen, die Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Hier gilt es auch, die föderalen (Denk-)Strukturen aufzuweichen. Bislang galt der Grundgedanke, dass jedes Bundesland seine eigene IT-Infrastruktur, -Architektur sowie eigene Schnittstellen und Datenaustauschformate aufbaut. Dieses zu harmonisieren und so umzuwandeln, dass es möglich ist, standardisierte Datenaustauschformate und -Infrastrukturen länderübergreifend zu nutzen, ist an sich schon als Erfolg zu werten. Das OZG-Programm-Management schafft aber nicht nur einen physischen Nutzen in Form von digitalen Leistungen für die Bürger:innen, sondern auch einen strukturellen Nutzen für die Verwaltungen selbst.

Stakeholder frühzeitig mit einbeziehen und Kommunikation fördern

Wenn man ein neues Programm in einem komplexen Umfeld wie der OZG-Umsetzung und vor dem Hintergrund der föderalen Zusammensetzung aufsetzt, muss der Schwerpunkt frühzeitig und dauerhaft auf der Stakeholder-Einbindung liegen. Dabei sollte von Anfang an ausreichend Zeit investiert werden, um eine möglichst breite und aussagekräftige Analyse vorzunehmen, bei der auch die Motivation der unterschiedlichen Stakeholder im Vordergrund steht. Im OZG-Umfeld sind das unter anderen die OZG-Koordinatoren in den einzelnen Ressorts, die kommunale Ebene in Form von Landkreistagen und Zweckverbände der Kommunen, aber auch die FIM-Landesredaktionen, die leicht verständliche Bürgerin­formationen, einheitliche Datenstrukturen für Formulare und standardisierte Prozessvorgaben für den Verwaltungs­vollzug bereitstellen. Alle diese Stakeholder müssen in ihrer Individualität und Bedeutung abgeholt und von Anfang an in den Prozess eingebunden werden.

Durch eine cross-funktionale Kommunikation kann ein gemeinsames Verständnis erreicht werden, das wiederum die Ausrichtung zum gemeinsamen Ziel fördert. Den Stakeholdern wird dadurch ein Raum zur Mitgestaltung geboten und sich partizipativ an den Entwicklungen zu beteiligen, wie zum Beispiel im Rahmen der Mitarbeit in Gremien, bei der Entwicklung und Freigabe von geschaffenen Standards und Prozessen und auch bei der Lösungsfindung von operativen Hindernissen und Herausforderungen. Entscheidungs- und Eskalationsprozesse geben den Handlungsrahmen vor. Alle am Programm beteiligten Akteure müssen lernen, Digitalisierung neu zu denken.

Weitere Erfolgsfaktoren für Digitalisierungsprogramme

Neben den oben genannten Faktoren konnten bei der Umsetzung und Unterstützung des OZG-Programms weitere Best Practices für zukünftige Digitalisierungsvorhaben identifiziert werden:

  • Führungsbündnis aufbauen und zentrale Steuerung: Eine starke Sponsorin oder ein starker Sponsor des Vorhabens kann die übergeordneten Ziele nach außen vertreten und die Unterstützung des Vorhabens im politischen Umfeld sicherstellen oder dafür werben. Die zentrale Steuerung und Koordination aller relevanten Themen unter einem Dach und die Einrichtung von zentralen Grundsätzen, Mechanismen und Regeln für die Steuerung und Entscheidungsfindung erhöhen die Geschwindigkeit und somit die Effizienz. Die Priorisierung von Aufgaben wird erleichtert und es entstehen weniger Konflikte auf der operativen Ebene.
  • Handeln und Lernen: Im Zyklus “Handeln – Rückmelden – Korrigieren – Implementieren” wird die fortlaufende Bearbeitung und Lösung von übergreifenden Fragestellungen und Hindernissen ermöglicht. So kann die Veränderung in Richtung Digitalisierung konsequent vorangetrieben werden. Die erzielten Erfolge werden konsolidiert und stabilisiert und leiten dadurch weitere Veränderung ein. Das hat die Verstetigung in Dauerstrukturen zum Ergebnis.

Kann der Standard für andere Vorhaben nachgenutzt werden?

Mit dem Entwicklungsmodell konnte eine Blaupause für zukünftige Projekte im OZG-Programm-Management geschaffen werden – insbesondere für Projekte mit einem zentralisierten Ansatz. Mit dem gesammelten Wissen und den Lessons Learned ist es möglich, OZG-Vorhaben jetzt deutlich strukturierter und effizienter aufzubauen. Es eignet sich aber auch für andere Themen in der Verwaltungsdigitalisierung. Eine weitere Möglichkeit, die geschaffenen Standards aus dem Programm-Management anzuwenden, wäre beispielsweise in der Registermodernisierung. Anstatt Einzel-Projekte umzusetzen, könnte beispielsweise eine Dachorganisation geschaffen werden, die die zentrale Steuerung und Koordination übernimmt und die Learnings bündelt, um so Synergien zu schaffen.